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Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)

Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)

Titel: Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)
Autoren: Seth Grahame-Smith
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er das jetzt einmal so sagen durfte, eines seiner herausragenden Attribute.
    »Ich«, fuhr er fort, »bin der Geist von Antiochia.«
    War da ein anerkennendes Glitzern in einigen Augen?
    »Ich bin auf der Suche nach einem Versteck vor den Männern des Herodes. Sobald sie fort sind, ziehe ich ohne ein weiteres Wort von dannen. Ihr habt nichts zu befürchten, meine Schwestern – das verspreche ich euch.«
    Sie schrien nicht.
    Die Menschen lieben Prominente.
    Abgesehen von seinem verbliebenen Schatz hätte Balthasar alles auf der Welt gegeben, um zu bleiben und diesen Anblick noch ein wenig länger auf sich wirken zu lassen, doch er konnte draußen das Donnern von Pferdehufen hören, das immer näher kam. Zeit zu verschwinden. In der Gewissheit, dass er und die Frauen zu einer Übereinkunft gelangt waren, durchquerte er den Raum so rasch und respektvoll wie möglich und ging auf eine Reihe Frauenkleider zu, die an der gegenüberliegenden Wand hingen. Genug, um dahinter einen Mann und zwei Satteltaschen zu verstecken, kein Problem.
    Es war perfekt. Die Soldaten würden es nicht wagen, in die Privatsphäre der badenden Frauen einzudringen. Ebenso unwahrscheinlich war es, dass die Frauen ohne ihre Gewänder auf die Straße liefen und ihn verrieten. Balthasar vernahm gedämpft Befehle, die draußen geschrien wurden, das Klirren von Schwertern und Rüstungen, als die Männer fächerförmig ausschwärmten.
    Sekunden später traten drei judäische Soldaten ein. Balthasar beobachtete, wie die Männer die gleiche Reihe an Reaktionen durchliefen wie er: Schock, gleich darauf Verlegenheit, gleich darauf Entzücken.
    Ein Soldat hatte sich wieder so weit in der Gewalt, dass er sprechen konnte: »Verzeiht …«
    Mach schon, du Hund. Mach schon, und frag sie, ob sie gesehen haben, wie ein Mann hier durchgelaufen ist. Meine Schwestern werden kein Wort sagen. Wenn überhaupt, werden sie euch zum Teufel schicken.
    »Habt ihr einen …«
    Balthasar sank der Mut, als jede einzelne Frau gleichzeitig auf sein Versteck deutete.
    Sie haben ihn noch nicht einmal die Frage zu Ende formulieren lassen …
    Also war es nun so weit. Nach einem Tag in der Wüste, einem toten Kamel und einem Vermögen an fallen gelassener Beute war der Moment gekommen.
    Balthasar war ein außergewöhnlicher Dieb. Ein ausgezeichneter Unruhestifter und erfahrener Überlebenskünstler. Doch unübertrefflich, wahrlich begnadet war er im Auslöschen von Menschenleben mithilfe seines Schwertes. Stolz war er hierauf nicht. Na ja, vielleicht nur ein ganz kleines bisschen. Doch im Allgemeinen maß er seinen Erfolg in Schätzen, nicht in Blut. »Erfolg«, pflegte er gern zu sagen, »ist, ein Vermögen zu stehlen, ohne das Schwert zu zücken. Misserfolg ist ein Leichenberg und kein Profit.«
    Die drei Soldaten zogen ihre Schwerter und durchquerten den Raum zu der Reihe aufgehängter Gewänder, auf die die Frauen gezeigt hatten.
    Keinem von ihnen blieben mehr als ein paar Sekunden zu leben.
    Petrus konnte seinen Sieg beinahe schmecken. Für einen Hauptmann im Heer des Herodes gab es wenige Dinge, die dringlicher waren als das Ergreifen des Geistes von Antiochia. Und jetzt stand er allem Anschein nach ganz kurz davor, eben dies zu tun. Solch eine Ehre würde selbstverständlich eine Beförderung bedeuten. Geld. Land. Vielleicht sogar einen Sklaven, der es für ihn bestellen würde. Und das Beste von allem: Er käme aus Tel Arad heraus und hätte nichts mehr mit diesem fetten, korrupten Römer namens Decimus Petronius Verres zu tun.
    Seine Männer traten jede Tür ein und durchsuchten jedes Haus in der Gegend. Der Geist konnte nicht weit gekommen sein. Sie hatten den Platz weniger als eine Minute nach ihm erreicht, und er hatte törichterweise einen deutlichen Hinweis in Form eines toten Kamels zurückgelassen. Dass er sich die Zeit genommen hatte, es grundlos umzubringen, zeigte, wie niederträchtig ihr Flüchtiger tatsächlich war.
    Natürlich bezweifelten ein paar seiner Männer, dass es sich tatsächlich um den Geist von Antiochia handelte. Doch Petrus wusste es genau. Er war schon lange genug dabei, um dessen Methoden wiederzuerkennen. Die Wahl seines Opfers. Selbst bevor Flavia den Mann beschrieben hatte, den sie ertappt hatte, als er das Anwesen ihres Vaters ausraubte – groß und mit olivenfarbener Haut, von starkem Körperbau, dunkle schulterlange Haare und eine X-förmige Narbe quer über der rechten Wange – hatte er es gewusst. Er wusste zudem genug, um den Verdacht
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