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Die Mutter der Königin (German Edition)

Die Mutter der Königin (German Edition)

Titel: Die Mutter der Königin (German Edition)
Autoren: Philippa Gregory
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Und fast hätten wir sie auch eingenommen.»
    Ich halte mir die Ohren zu. «Ich höre dir gar nicht zu! Sprich nicht so! Sie peitschen mich aus, wenn ich dir zuhöre.»
    Da nimmt sie mich sofort reumütig bei den Händen. «Ach, Jacquetta, ich will dich nicht in Schwierigkeiten bringen. Bestimmt nicht! Ich sage nichts mehr. Aber du verstehst doch, dass ich viel Schlimmeres getan habe, als mich mit Worten gegen die Engländer zu wehren. Ich habe sie mit Pfeilen und Kanonenschüssen, mit Rammböcken und Gewehren angegriffen! Mit den Worten, die ich sage, und den Hosen, die ich trage, werden die Engländer sich kaum aufhalten. Ich habe sie besiegt und allen gezeigt, dass sie kein Anrecht auf Frankreich haben. Ich habe eine Armee gegen sie angeführt und sie ein ums andere Mal besiegt.»
    «Ich hoffe, sie kriegen dich nie in die Hände, um dich zu befragen. Weder über Worte noch über Pfeile, noch über Kanonen.»
    Bei dem Gedanken wird sie blass. «Bitte, lieber Gott, das hoffe ich auch. Barmherziger Gott, das hoffe ich auch.»
    «Mein Großtante schreibt dem Dauphin», erzähle ich ihr leise. «Sie hat gestern beim Abendessen davon gesprochen. Sie will ihn auffordern, sein Lösegeld für dich zu nennen. Dann überstellt mein Onkel dich den Fr… den Armagnaken.»
    Sie senkt den Kopf und spricht ein stilles Gebet. «Mein König wird nach mir schicken», sagt sie vertrauensvoll. «Gewiss ruft er mich bald zu sich, und dann können wir wieder ins Feld ziehen.»

    Im August wird es sogar noch heißer, und meine Großtante ruht sich jeden Nachmittag in ihrem privaten Gemach aus. Die feinen Seidenvorhänge sind mit Lavendelwasser getränkt, und die geschlossenen Läden werfen ein Gittermuster auf den Fußboden. Sie mag es, wenn ich ihr vorlese, während sie mit geschlossenen Augen und auf der Brust gefalteten Händen daliegt, als wäre sie das Stein gewordene Abbild ihrer selbst in einer schattigen Gruft. Die große Hörnerhaube, die sie immer trägt, legt sie zur Seite und lässt die langen, grauen Haare offen über die kühlen bestickten Kissen fallen. Sie gibt mir Bücher aus ihrer eigenen Bibliothek, große Liebesgeschichten von Troubadouren und Damen in dunklen Wäldern. Eines Nachmittags drückt sie mir ein Buch in die Hand und sagt: «Lies mir heute dieses vor.»
    Es ist in Altfranzösisch geschrieben, ich stolpere über die Wörter. Es ist schwer zu lesen: Die Illustrationen am Rand sind wie dornige Ranken und Blumen, die sich um die Buchstaben winden, und ich kann die verschnörkelte Handschrift des Kopisten, der das Buch abgeschrieben hat, nur mühsam entziffern. Doch langsam entwickelt sich die Geschichte. Sie handelt von einem Ritter, der sich verirrt hat und durch einen finsteren Wald reitet. Als er ein Plätschern hört, reitet er darauf zu. Im Mondlicht erblickt er auf einer Lichtung einen hellen Teich, aus dem eine Fontäne emporsteigt. Im Wasser darunter badet eine wunderschöne Frau. Ihre Haut ist weißer als weißer Marmor, und ihre Haare sind dunkler als der Nachthimmel. Er verliebt sich augenblicklich in sie und sie sich in ihn, und so bringt er sie auf seine Burg und nimmt sie zur Frau. Sie stellt nur eine Bedingung: Einmal im Monat muss er sie alleine baden lassen.
    «Kennst du diese Geschichte?», fragt mich meine Großtante. «Hat dein Vater sie dir schon einmal erzählt?»
    «Eine ähnliche habe ich schon einmal gehört», sage ich vorsichtig. Meine Großtante ist berüchtigt für ihre Wutanfälle meinem Vater gegenüber, und daher weiß ich nicht, ob ich es wagen kann zu sagen, dass ich die Erzählung für die Gründungslegende unseres Hauses halte.
    «In jedem Fall liest du jetzt die wahre Geschichte», sagt sie und schließt die Augen. «Es wird aber auch Zeit. Lies weiter.»
    Das junge Paar ist unendlich glücklich, und von fern und nah kommen Besucher. Die beiden werden Eltern von schönen Mädchen und merkwürdigen wilden Jungen.
    «Söhne», flüstert meine Großtante bei sich. «Könnte eine Frau vom Wünschen doch nur Söhne bekommen, die werden, wie sie sie sich erträumt.»
    Die Jahre vergehen, aber die Frau bleibt schön wie eh und je, und ihr Gemahl wird immer neugieriger. Eines Tages erträgt er das Rätsel um ihre heimlichen Bäder nicht mehr, schleicht zu ihrem Badehaus hinunter und spioniert ihr nach.
    Meine Großtante hebt die Hand. «Weißt du, was er sieht?», fragt sie mich.
    Ich hebe den Blick vom Buch, mein Finger liegt noch unter der Abbildung des Mannes, der durch die
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