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Die Mutter der Königin (German Edition)

Die Mutter der Königin (German Edition)

Titel: Die Mutter der Königin (German Edition)
Autoren: Philippa Gregory
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lächerlichste Art gegen Kopf und Brust wie ein Bauer, wenn vom Beelzebub gesprochen wird. Ich muss mir das Lachen verkneifen. Sie sieht mich aus dunklen Augen an.
    «Das sind nur normale Sterbliche», erkläre ich ihr. «Die Engländer haben keine übermenschlichen Kräfte. Du brauchst dich vor ihnen nicht so zu fürchten. Du musst dich auch nicht bekreuzigen, wenn man von ihnen spricht.»
    «Ich fürchte mich nicht. Ich bin keine solche Närrin zu glauben, dass sie übermenschliche Kräfte besäßen. Das ist es nicht. Aber sie wissen, dass ich welche habe. Das macht sie gefährlich. Sobald ich ihnen in die Hände falle, werden sie mich umbringen, so viel Angst haben sie vor mir. Ich bin ihre Schreckensvision. Ich bin die Angst, die sie nachts umtreibt.»
    «Solange ich lebe, werden sie dich nicht bekommen», versichert meine Großtante ihr. Johanna sieht mich wieder an, und in ihrem harten, dunklen Blick steht unverkennbar die Frage, ob auch ich in dieser ernsthaften Versicherung den Klang eines vollkommen leeren Versprechens gehört habe.

    Meine Großtante glaubt, wenn sie Jeanne d’Arc in unsere Gesellschaft einführt, sich mit ihr unterhält, ihren religiösen Eifer beschwichtigt und sie vielleicht sogar ein wenig erzieht, könne das Mädchen mit der Zeit dazu gebracht werden, ein Kleid zu tragen wie alle anderen jungen Frauen, und die kämpferische Jugendliche, die man in Compiègne von ihrem weißen Pferd gezerrt hat, werde sich völlig verwandeln. So wie in einer umgekehrten Messe Wein zu Wasser wird. Sie glaubt, Johanna werde zu einer jungen Frau, die man zu den Hofdamen setzen kann, die einem Befehl williger folgt als dem Läuten der Kirchenglocken. Vielleicht vergessen die Engländer sie dann sogar, die jetzt verlangen, dass wir ihnen dieses Zwitterwesen ausliefern, diese mörderische Hexe. Wenn wir ihnen nicht mehr anzubieten haben als eine gehorsame Kammerzofe, geben sie sich vielleicht zufrieden und ziehen ihrer gewalttätigen Wege.
    Johanna ist erschöpft von den Niederlagen. Außerdem beschleicht sie die Sorge, dass der von ihr gekrönte König das heilige Öl nicht wert war, dass der von ihr in die Flucht geschlagene Feind sich wieder sammelt und dass ihr die göttliche Mission entgleitet. All das, was sie zu der von ihrer Truppe bewunderten Jungfrau gemacht hat, ist unsicher geworden. Im Lichte der beharrlichen Freundlichkeit meiner Großtante wird sie wieder zu einer ungelenken Bauernmaid, zu einem ganz gewöhnlichen Mädchen.
    Natürlich wollen die adligen Hofdamen meiner Großtante mehr über das Abenteuer wissen, das jetzt langsam und schleichend zur Niederlage wird. Als Johanna schon einige Tage mit uns verbracht und gelernt hat, ein Mädchen zu sein und nicht die Jungfrau von Orléans, nehmen sie all ihren Mut zusammen und fragen sie.
    «Wie konntest du so tapfer sein?», will eine wissen. «Wo lernt man, so mutig zu sein, in der Schlacht, meine ich?»
    Johanna lächelt. Wir sitzen zu viert im Gras am Wassergraben vor der Burg, faul wie Kinder. Die Julisonne brennt vom Himmel, und das Weideland um die Burg flirrt im Dunst der Hitze; sogar die Bienen sind faul, erst summen sie noch, dann verstummen auch sie – wie trunken von den Blumen. Wir haben uns den schattigsten Platz unter dem großen Turm gesucht, hinter uns im glasklaren Wasser des Grabens hören wir von Zeit zu Zeit ein leises Plätschern, wenn ein Karpfen an die Oberfläche steigt.
    Johanna lümmelt sich wie ein Junge, eine Hand hält sie ins Wasser, die Kappe hat sie sich tief in die Stirn gezogen. Im Korb neben mir sind halbfertige Hemden, die wir für die armen Kinder im nahen Cambrai säumen sollen. Aber wir drücken uns vor der Arbeit, Johanna hat kein Talent, und ich halte das kostbare Kartenspiel meiner Großtante in den Händen, mische die Karten und betrachte müßig die Bilder.
    «Gott hat mich gerufen», erklärt Johanna nur. «Ich wusste, dass er mich beschützen würde. Deswegen hatte ich keine Angst. Nicht einmal im schlimmsten Schlachtgetümmel. Er sagte mir voraus, dass ich verletzt, aber keinen Schmerz spüren würde, deswegen wusste ich, dass ich weiterkämpfen konnte. Ich habe sogar meine Männer gewarnt, dass ich an dem Tag verwundet werden würde. Ich wusste es, bevor ich in die Schlacht gezogen bin. So einfach war das.»
    «Hörst du wirklich Stimmen, Jeanne?», frage ich sie.
    «Und du?»
    Die Frage erschrickt die anderen Mädchen derart, dass mich plötzlich alle anstarren. Ich werde rot, als schämte ich
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