Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher
Autoren: Rosamunde Pilcher
Vom Netzwerk:
bin.« Ihre Stimme kam wie ein Krächzen. Sie räusperte sich und versuchte es noch mal. »Da es Sie zu interessieren scheint - ich bin dreiundvierzig.«
    »Mehr nicht? Oh, ich hätte gedacht, Sie sind keinen Tag jünger als fünfzig.«
    Nancy lachte ein wenig und versuchte so zu tun, als betrachte sie es als einen Scherz, was sollte sie sonst machen? »Das ist nicht sehr schmeichelhaft, Mrs. Croftway.«
    »Es liegt an Ihrem Gewicht. Das ist es. Nichts macht so alt, als wenn man sich mit der Figur gehen läßt. Sie sollten eine Schlankheitskur machen. Es ist nicht gut für Sie, ich meine, das Übergewicht. Als nächstes - « sie lachte wie eine alte Henne - »bekommen Sie noch einen Herzanfall.«
    Ich hasse Sie, Mrs. Croftway. Ich hasse Sie.
    »In der neuen Woman ’s Own ist eine sehr gute Schlankheitskur. Man darf am ersten Tag nur eine Pampelmuse und am nächsten einen Becher Joghurt essen. Vielleicht auch umgekehrt. Ich kann sie ausschneiden und Ihnen mitbringen, wenn Sie wollen.«
    »Oh. sehr freundlich. Ja, vielleicht.« Sie klang aufgeregt und ihre Stimme zitterte. Sie riß sich zusammen, holte tief Luft und rettete, was zu retten war. »Aber ich wollte eigentlich von morgen reden, Mrs. Croftway. Ich nehme den Zug um Viertel nach neun, und deshalb habe ich nicht mehr viel Zeit zum Aufräumen, bevor ich gehe, und ich fürchte, Sie werden es tun müssen. das heißt, so weit Sie kommen. Und würden Sie bitte so freundlich sein und die Hunde füttern? Ich tue ihnen das Futter in die Näpfe, und wenn Sie sie dann vielleicht kurz im Garten laufen lassen könnten? Und.« Sie fuhr rasch fort, ehe Mrs. Croftway anfangen konnte, gegen diese Vorschläge zu protestieren. »Und richten Sie Ihrem Mann bitte einen schönen Gruß von mir aus, und er möchte Lightning zum Hufschmied bringen. er muß beschlagen werden, und ich möchte nicht noch länger damit warten.«
    »Oooh«, machte Mrs. Croftway zweifelnd. »Ich weiß nicht, ob er allein mit dem Gaul fertig werden kann.«
    »Ich bin sicher, er kann es, es ist ja nicht das erste Mal. Und morgen abend, wenn ich zurückkomme. wir könnten vielleicht Lammkeule zum Dinner haben. Oder Koteletts oder etwas Ähnliches. und ein bißchen von dem herrlichen Rosenkohl, den Ihr Mann anbaut.«
    Sie hatte erst nach dem Essen Gelegenheit, mit George zu sprechen. Mit all dem, was sie um die Ohren hatte, dafür sorgen, daß die Kinder ihre Schulaufgaben machten, Melanies Ballettschuhe suchen, das Dinner, das Geschirr abräumen und dann rasch die Frau des Pfarrers anrufen, um ihr zu sagen, daß sie morgen abend nicht zur Sitzung des Frauenvereins kommen konnte, und all den anderen Dingen, aus denen ihr Leben bestand, schien sie fast nie mehr Zeit zu haben, ein Wort mit ihrem Mann zu wechseln, der erst um sieben Uhr abends nach Hause kam und dann nichts anderes wollte, als sich mit einem Glas Whisky an den Kamin zu setzen und Zeitung zu lesen.
    Doch schließlich hatte sie alles erledigt und konnte zu George in die Bibliothek gehen. Sie machte die Tür fest hinter sich zu und erwartete, daß er aufblicken würde, und als er sich hinter seiner Times nicht rührte, ging sie zum Bartisch neben dem Fenster, schenkte sich einen Whisky ein und setzte sich dann ihm gegenüber in den Armstuhl. Sie wußte, daß er gleich die Hand ausstrecken und den Fernseher einschalten würde, um die Nachrichten zu sehen. Sie sagte: »George.«
    »Hmmm?«
    »George, hör mir bitte einen Moment zu.«
    Er las den Satz, den er angefangen hatte, zu Ende und ließ dann widerstrebend die Zeitung sinken, so daß man das Gesicht eines Mannes mit schütterem Haar und randloser Brille sah, eines Herrn in einem korrekten dunklen Anzug mit gedeckter Krawatte, der Mitte fünfzig war, aber ein gut Teil älter wirkte. George war Anwalt, nur beim Amtsgericht zugelassen, und bildete sich vielleicht ein, sein betont gepflegtes Äußeres - wie für eine Rolle in einem Theaterstück - würde potentiellen Klienten Vertrauen einflößen, aber Nancy hatte manchmal den Verdacht, daß seine Kanzlei, wenn er nur ein bißchen mehr aus sich machte, einen gutgeschnittenen Tweedanzug trüge und sich eine Hornbrille zulegte, ebenfalls aufblühen würde. Denn seit der Einweihung der Schnellstraße von London war dieser Teil des Landes rasch in Mode gekommen. Neue und wohlhabende Leute zogen her, Farmen wechselten für unfaßliche Summen den Besitzer, total heruntergekommene Gesindehäuser wurden begierig gekauft und unter gewaltigen Kosten in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher