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Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher
Autoren: Rosamunde Pilcher
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einmal in die Küche gehen und »ein Wörtchen« mit der griesgrämigen Mrs. Croftway reden zu müssen, und zog die dicke Strickjacke enger um sich, während sie sah, wie die Zugluft, die unter der schlecht schließenden Tür ins Haus drang, den abgetretenen Läufer anhob und erzittern ließ. Das Haus, in dem sie wohnten, war sehr alt, ein georgianisches Pfarrhaus in einem kleinen und malerischen Dorf in den Cotswold Hills. Das »Alte Pfarrhaus«, Bamworth. Es war eine gute Adresse, und sie genoß es, wenn sie sie in Geschäften nannte. Belasten Sie einfach mein Konto - Mrs. George Chamberlain, Altes Pfarrhaus, Bamworth, Gloucestershire. Sie hatte sie bei Harrods in Prägedruck auf ihr teures blaues Schreibpapier drucken lassen. Kleine Dinge wie Schreibpapier waren für Nancy wichtig. Sie machten einen guten Eindruck. Sie und George waren bald nach ihrer Heirat hierher gezogen. Unmittelbar vor jenem Ereignis hatte der frühere Pfarrer von Bamworth plötzlich eine überraschende Anwandlung von Mut gehabt, hatte rebelliert und seinen Vorgesetzten erklärt, man könne von niemandem, nicht einmal von einem weitabgewandten Mann der Kirche erwarten, in einem so riesigen, unpraktischen und kalten Haus zu wohnen. Nach einigem Überlegen und einem anderthalbtägigen Besuch des Erzdiakons, der sich eine Erkältung geholt hatte und um ein Haar an Lungenentzündung gestorben war, hatte die Diözese sich dazu durchgerungen, ein neues Pfarrhaus zu bauen. So wurde am anderen Ende des Dorfes ein Backsteinbungalow hochgezogen und das Alte Pfarrhaus zum Verkauf ausgeschrieben. Die Käufer waren George und Nancy. »Wir haben sofort zugegriffen«, sagte sie zu ihren Freundinnen, als ob sie und ihr Mann enorm gewieft und schnell gewesen seien, und es traf zu, daß sie es für ein Butterbrot bekommen hatten, aber nur, weil kein anderer es haben wollte.
    »Es muß natürlich eine Menge daran getan werden, aber es ist ein sehr schönes Haus, spätgeorgianisch, mit einem herrlichen großen Grundstück. Schuppen und ein großer Stall. und nur eine halbe Stunde nach Cheltenham und zu Georges Kanzlei. Genau das, was wir haben wollten.«
    So war es. Für Nancy, die in London aufgewachsen war, bedeutete das Haus die Erfüllung ihrer Teenagerträume, ihrer Phantasien, die bei der Lektüre all der Romane wachgeworden waren, die sie verschlungen hatte, all der Bücher von Barbara Cartland und Georgette Heyer. Auf dem Land zu leben und die Frau eines Landadeligen zu sein, natürlich erst nach einer traditionellen Londoner Saison, einer Hochzeit in Weiß mit Brautjungfern und ihrem Bild im Tatler - das war lange Zeit der Gipfel ihres bescheidenen Ehrgeizes gewesen. Bis auf die Londoner Saison hatte sie alles bekommen, und frischvermählt hatte sie sich als Herrin eines Hauses in den Cotswolds wiedergefunden, mit einem Pferd im Stall und einem Garten für Kirchenfeste. Mit den richtigen Freunden und den richtigen Hunden, mit einem Mann, der Ortsvorsitzender der Konservativen Partei war und beim Sonntagsgottesdienst die Losung des Tages las. Zuerst war alles sehr gut gegangen. Sie hatten damals genug Geld, sie renovierten das alte Haus, ließen es verputzen und eine Zentralheizung einbauen, und Nancy hatte die viktorianischen Möbel arrangiert, die George von seinen Eltern geerbt hatte, und ihr eigenes Schlafzimmer überglücklich in einen Traum von Chintz verwandelt. Doch als die Jahre dahingingen, die Inflation immer mehr wütete und die Kosten für Heizöl und fremde Hilfe stiegen, wurde es zunehmend schwierig, jemanden zu finden, der in Haus und Garten half. Die finanzielle Bürde für den bloßen Unterhalt des Hauses wurde von Jahr zu Jahr schwerer, und sie hatte manchmal das Gefühl, das der Brocken, den sie geschnappt hatten, zu groß zum Kauen war.
    Als ob all das nicht reichte, waren nun auch die atemberaubenden Kosten für die Schulen der Kinder hinzugekommen. Melanie und auch Rupert besuchten als Externe Privatschulen im Ort. Melanie würde wahrscheinlich bis zur Reifeprüfung auf der ihren bleiben, aber Rupert war bereits für Charlesworth, das Internat seines Vaters, ausersehen. George hatte ihn einen Tag nach seiner Geburt angemeldet und gleichzeitig eine kleine Ausbildungsversicherung abgeschlossen, aber von der lächerlichen Summe, die sie herausbekamen, würden sie heute, 1984, gerade eben die erste Eisenbahnfahrt dorthin bezahlen können.
    Als sie einmal in London bei Olivia übernachtet hatte, hatte sie sich ihrer Schwester in der
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