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Die Mütze

Die Mütze

Titel: Die Mütze
Autoren: Wladimir Woinowitsch
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für Efim und Kukuscha keinerlei negative Auswirkungen. Der Verlag Junge Garde ließ nach wie vor regelmäßig seine Romane über gute Menschen erscheinen, Kukuscha setzte ihre Sendereihe Niemand ist vergessen... fort, leitete das Parteikomitee und trug das Kreuz unter dem BH, und Tischka beendete mit großem Erfolg seine Aspirantur.
    Das Leben ging seinen Gang.
    Jeden Morgen erwachte Efim von einem leisen Geräusch: Das war die lswestija, die die Pförtnerin in den Schlitz in der Tür steckte. Der Schlitz war für den Briefkasten bestimmt, der innen angebracht werden sollte. Der Kasten aber fehlte immer noch. Efim wollte eigentlich schon längst einen solchen bestellt haben, schon vor Tischkas Geburt, aber es war immer etwas dazwischen gekommen, und nun brauchte er ihn nicht mehr. Ein hervorragender Wecker für einen Menschen mit leichtem Schlaf. Efim steht auf, hüllt seinen mageren, haarigen Körper in einen grünen Bademantel, schlurft in den Korridor hinaus, hebt die Zeitung auf und begibt sich damit ins Bad. Anschließend fährt er sich mit der nassen Hand über das Gesicht und geht in die Küche, um das Frühstück für Tischka zu richten. Während er die Spiegeleier brät, den Kaffee kocht und Brot und Butter auf den Tisch stellt, schaltet Tischkas Timer das Tonbandgerät an ( Panasonic , ein Geschenk der Eltern). Rockmusik. Zunächst gedämpft, dann unvermittelt laut - auf dem Weg ins Bad läßt Tischka seine Tür offenstehen. Dann wieder leiser - Tischka ist zurück, hat die Tür hinter sich zugezogen und macht Frühsport mit Hanteln. Wieder ohrenbetäubender Krach in der ganzen Wohnung - Tischka duscht, alle Türen stehen offen. Schließlich Ruhe. Tischka erscheint in der Küche, frischgewaschen, gekämmt, gut angezogen: Wrangler-Jeans, eine blaue halbsportliche finnische Jacke, weißes Hemd, dunkelrote Krawatte.
    »Grüß dich, Papa!«
    »Guten Morgen!«
    Tischka setzt sich an den Tisch und frühstückt. Efim betrachtet zufrieden seinen Sohn: Er ist groß, blond und hat Kukuschas graue Augen. Mit seinem Sohn hat Efim Glück gehabt. Er studiert mit großem Erfolg, trinkt nicht, raucht nicht, treibt Sport (Tennis und Karate), hat immer sehr viel zu tun, ist Aspirant, Mitglied der Studentischen Wissenschaftlichen Gesellschaft, Mitglied des Institutsbüros des Komsomol und Vorsitzender einer Mannschaft des Zivilen Bereitschaftsdienstes.
    Nun isst er seine Spiegeleier, nimmt immer wieder einen Schluck Kaffee und überfliegt lustlos die Zeitung. Empfang im Kreml, Aussaat in Turkmenien, Ehre und Gewissen eines verantwortlichen Parteimitglieds, angespannte Lage im Persischen Golf. Sport, Sport, Sport...
    »Kommst du heute spät ?« fragt der Vater.
    »Sehr spät. Wir haben heute abend ein Unterhaltungskonzert und anschließend Bereitschaftsdienst.«
    »Das heißt, wir sollen nicht mit dem Abendbrot auf dich warten?«
    »Nein.«
    Das ist das ganze Gespräch.
    Tischka geht, Efim kocht noch einmal Kaffee und brät noch einmal Spiegeleier, diesmal für sich und Kukuscha. Sobald Kukuscha gegangen ist, spült er das Geschirr und eilt an seinen Tisch, um seine vier Seiten zu schreiben, die übliche Tagesnorm.
    Er hat gerade einen neuen Roman begonnen. Eigentlich hat er ihn noch nicht richtig begonnen, sondern erst ein neues Blatt in die Maschine eingespannt (finnisches Papier, das kürzlich im Literaturfonds verteilt worden war), oben Efim Rachlin , darunter in der Mitte Operation getippt, um darauf in tiefes Nachdenken über den ersten Satz zu versinken, der ihm immer die größten Schwierigkeiten bereitete. Obwohl das Sujet gut und bis zum Ende durchdacht war.
    Die Handlung (wieder medizinisch) spielte irgendwo mitten im Stillen Ozean, auf dem Forschungsschiff Galaktika. Einer aus der Besatzung bekommt eine akute Blinddarmentzündung, muß umgehend operiert werden, und der einzige, der dafür in Frage kommt, ist selbstverständlich der Schiffsarzt. Aber ausgerechnet er, der Arzt, ist der Patient. Selbstverständlich funken die guten Menschen in Wladiwostok und in Moskau, sobald sie davon erfahren, nach allen Himmelsrichtungen, sie stellen Verbindungen mit anderen Schiffen her, die sofort ihren Kurs ändern und zu Hilfe eilen, aber, wie in allen Romanen Rachlins, gegen den Widerstand der Naturkräfte anzukämpfen haben, gegen Regen, Nebel, Sturm und Eis. Kurz, der kranke Arzt faßt den einzig möglichen Entschluß: Unter Assistenz des Steuermanns, der einen Spiegel hält, operiert er sich selbst. Aber inzwischen haben
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