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Die Mütze

Die Mütze

Titel: Die Mütze
Autoren: Wladimir Woinowitsch
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General persönlich Kukuscha aufsuchte, dann pflanzte sich zuerst vor dem Haus ein Milizionär auf, der den Verkehr regelte. Darauf erschienen in zwei Wolgas einige Männer, die wie Schlosser aussahen. Diese bezogen Posten um das Haus. Bei jedem noch so launischen Wetter ließ sich auf der Bank vor der Toreinfahrt ein verliebtes Pärchen nieder. Entweder tranken sie Wein aus der Flasche, oder sie umarmten sich, wobei er sich (jedenfalls nach Baranows Version) an ihrem Ausschnitt zu schaffen machte und in ihren Busen murmelte - wahrscheinlich in das dort befindliche Mikrophon. Schließlich fuhr ein Taxi vor, dem ein Zivilist mit dunkler Brille und einem bis auf die Brille heruntergezogenen Hut entstieg, worauf das Taxi sofort davonbrauste. Aufmerksame Nachbarn konnten feststellen, daß der Taxichauffeur niemand anders war als der verkleidete Iwan Fedosejewitsch. Nun, und was den Fahrgast betraf - braucht man über ihn überhaupt noch etwas zu sagen ?
    General Pobratimow war der freigiebigste und dankbarste Liebhaber Kukuschkas, auch wenn er sich ihr in der letzten Zeit nur selten nützlich erweisen konnte. Er mußte an höchster Stelle Mißfallen erregt haben und wurde wegen Bonapartismus mit den Marschallsternen als Trostbonbon in einen weitabgelegenen Bezirk abkommandiert. Bevor er abreiste, sorgte er noch einmal für seine Freunde: Kukuschkas Tischka wurde dank seiner Fürsprache vom Militärdienst befreit, Iwan Fedosejewitsch befördert und zum Kriegskommissar von Moskau ernannt.
    Kukuschkas Natascha arbeitete zu jener Zeit als Dolmetscherin im Inturist und bereitete sich ebenfalls auf die Aspirantur vor, als sie eines Tages dem aufstrebenden wissenschaftlichen Mitarbeiter im Forschungsinstitut der Fleisch-und Milchindustrie Semjon Zimerman begegnete und ihm einen Sohn schenkte, der auf besonderen Wunsch des Vaters nach dem Verteidigungsminister Israels (man denke!) Ariel genannt wurde. Kukuscha kämpfte gegen diesen Namen wie eine Löwin, schwor, daß sie einen Enkel mit diesem Namen niemals anerkennen würde, tat es später dennoch, nannte ihn allerdings Artem.
    Der arglistige Zimerman jedoch schmiedete einen noch schrecklicheren Plan. Als Natascha eines Tages nach Hause kam, teilte sie mit, daß sie und Semja (Zimerman) sich entschlossen hätten, in ihre historische Heimat auszuwandern, und ihre Eltern möchten doch bitte schriftlich bestätigen, daß sie keine finanziellen Ansprüche an sie stellen würden. Diese Nachricht versetzte Kukuscha in helle Verzweiflung. Sie beschwor Natascha, Vernunft anzunehmen, sich von diesem verdammten Zimerman zu trennen und an ihr Kind zu denken. Sie rechnete ihr sämtliche mütterlichen Zuwendungen vor, einschließlich des als Kleinkind genossenen Griesbreis und Lebertrans. Sie erinnerte Natascha an das Sowjetregime, dem sie ihre Bildung verdanke, an den Komsomol, der sie erzogen habe, versuchte ihre Tochter mit dem Gespenst des Kapitalismus, mit den Arabern und dem Wüstenwind Chamsin einzuschüchtern, schluchzte, trank Baldrian, lag vor der Tochter auf den Knien und drohte ihr, sie für ewig zu verfluchen. Die gewünschte Verzichterklärung stellte sie natürlich nicht aus und verbot auch Efim strengstens, dergleichen zu tun. Noch mehr. Sie richtete an Inturist, an das Forschungsinstitut der Fleisch-und Milchverarbeitenden Industrie, an den  OWIR  und an die eigene Parteiorganisation ein Gesuch, ihre unreife, in die Netze der Zionisten geratene Tochter zu retten. Aber die Zionisten waren offensichtlich schon in den OWIR eingedrungen, denn Natascha erhielt schließlich die Ausreisegenehmigung auch ohne diese Verzichterklärung.
    Kukuscha erschien weder beim Abschiedsfest noch auf dem Flughafen, und Efim verabschiedete sich von der Tochter ohne Wissen seiner Frau und hatte ihr bis jetzt noch nicht gestanden, daß er von Zeit zu Zeit beim Hauptpostamt einen postlagernden Brief aus Israel abholte.
    Natascha und ihr Mann hatten Glück. Semjon (inzwischen hieß er Schimon) arbeitete irgendwo in der Rüstungsindustrie und verdiente recht ordentlich. Und sie hatte eine Stelle in einer Bibliothek. Enttäuschend war nur der Umstand, daß Ariel, der in der Sowjetunion als Jude gegolten hatte und in der Tat Dreivierteljude war, in Israel als Russe angesehen wurde, weil seine Mutter eine Russin war, und die Mutter, die Zeit ihres Lebens ihre jüdische Abstammung verleugnet hatte, gehörte aus demselben Grunde jetzt zu den Gojim.
    Gegen alle Erwartungen hatte die Ausreise der Tochter
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