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Die Mütze

Die Mütze

Titel: Die Mütze
Autoren: Wladimir Woinowitsch
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vereisten Fenster die verschwommene Silhouette erscheint?«
    Selbstverständlich erinnerte ich mich nicht, äußerte mich aber über die Silhouette sehr anerkennend, sprang auf und gratulierte, um mir weitere Details zu ersparen, Efim zu seinem wohlgelungenen Buch.
    Meine Frau rannte in die Küche hinaus, und ich konnte hören, wie sie dort mit dem Lachen kämpfte. Er aber benutzte ihre Abwesenheit, um auf mich zu stürzen und mir die Hand zu schütteln. »Ich bin glücklich, daß es dir gefällt«, sagte er.
    Kaum hatte er meine Wohnung verlassen, erzählte er, wie zu erwarten war, ganz Moskau von meiner Begeisterung, unter anderem auch Baranow, der mich umgehend anrief und, stärker als sonst mit der Zunge anstoßend, mich nachdrücklich fragte, ob mir dieser Roman tatsächlich gefallen habe.
    »Wieso ?« fragte ich argwöhnisch.
    »Wieso ?« wiederholte Baranow wütend, »weil Sie mit Ihrer prinzipienlosen Lobhudelei Efim in seinem Wahn bestärken, er sei ein Schriftsteller!«
    Baranow war Rachlins nächster Freund, kannte ihm gegenüber keinerlei Schonung und hielt es für seine Pflicht, ihm die Wahrheit zu sagen, gelegentlich eine so bittere Wahrheit, daß man sich über die Gelassenheit, mit der Efim sie ertrug, nur wundern konnte.
    Efim wohnte im sechsten Stockwerk des Schriftstellerhauses bei der Metro Aeroport, in einer außerordentlich günstigen Wohnlage. Unten war eine Poliklinik, auf der anderen Straßenseite (eine Minute zu Fuß) das Produktionskombinat des Literaturfonds, links (zwei Minuten) die Metro, rechts (drei Minuten) der Lebensmittelladen Komsomolze, ein Stückchen weiter, aber immer noch mühelos erreichbar, das Kino Baku, die Leningrader Markthalle und das 12. Revier.
    Die Wohnung war geräumig und wurde noch geräumiger, als Efims Familie sich um exakt ein Viertel verkleinerte. Das geschah, als die Tochter Natascha in die historische Heimat auswanderte, genau gesagt, nach Tel Aviv. Ihre Ausreise war von einem veritablen Skandal begleitet.
    Um die Ursache dieses Skandals zu begreifen, muß man wissen, daß Efims Frau Russin war - Zina Kukuschkina, geboren in Taganrog. Kukuscha, so nannte Efim sie liebevoll, war eine füllige, lüsterne und törichte Dame mit Ambitionen. Sie rauchte lange ausländische Zigaretten, die sie sich auf dem Schwarzmarkt besorgte, führte einen, wie man so sagt, lockeren Lebenswandel, trank Wodka, sang schlüpfrige Gassenhauer und fluchte wie ein Stallknecht. Sie arbeitete beim Fernsehen als Hauptredakteurin in der Abteilung Patriotische Erziehung und betreute das Programm Niemand ist vergessen, nichts ist vergessen. Außerdem war sie Sekretärin des Parteibüros, Deputierte des Rayon-Sowjets und Mitglied der Gesellschaft Wissen. Aber unter dem BH trug sie ein Kreuz, glaubte an Ginseng, Telepathie,  ESP  und Handauflegen. Kurz, sie war eine im besten Sinne moderne Repräsentantin unserer intellektuellen Elite. Sie hatte ihren Mädchennamen beibehalten, um sich die Karriere nicht zu verbauen, und ließ die beiden Kinder als Kukuschkins und Russen eintragen. Ihre Strategie bewährte sich. Sie hatte Karriere gemacht und sorgte, so gut sie konnte, für die literarischen Erfolge ihres Mannes.
    Sie war bereits weit über Vierzig, hatte aber immer noch Liebhaber, meistens Militärs, und der wichtigste unter ihnen war der zweimalige Held der Sowjetunion Armeegeneral Pobratimow. Sie hatten sich schon vor Jahren kennengelernt, als er noch Stellvertretender Verteidigungsminister war. Eines Tages hatte er Kukuscha auf dem Bildschirm gesehen und war von ihr derart fasziniert gewesen, daß er höchstpersönlich die Betreuung ihrer Sendereihe übernahm. Es wurde mir erzählt, daß Kukuscha, während Efim mit heroischen Menschen auf weiten Dienstreisen war, oder, wie Baranow das ausdrückte, Stoff für seine Sch... schreiberei zusammensuchte, von Pobratimows Adjutanten, dem kleinen dickbäuchigen Oberst namens Iwan Fedosejewitsch, in einer schwarzen Limousine abgeholt wurde. Das geschah gewöhnlich am hellichten Tage, mitten in der Arbeit. Iwan Fedosejewitsch erschien in voller Uniform und mit sämtlichen Ordensspangen, begrüßte jeden Mitarbeiter Kukuschas mit Handschlag, lächelte breit mit allen seinen Goldkronen und meldete gemessen: »Sinaida Iwanowna, Sie werden im Generalsstab mit dem Arbeitsmaterial erwartet.«
    Kukuscha stopfte irgendwelche Papiere in eine Mappe und entfernte sich, es machte ihr nichts aus, wer hinter ihrem Rücken über sie lästerte.
    Und wenn der
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