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Die Mütze

Die Mütze

Titel: Die Mütze
Autoren: Wladimir Woinowitsch
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vorsichtig diese Mappe heraus und reichte sie mir, verlegen und gleichzeitig selbstbewußt, da er keineswegs jeden Beliebigen dieser Ehre für würdig hielt (allerdings drängte sich kaum jemand, ihrer für würdig gehalten zu werden).
    »Weißt du«, sagte er und blickte zur Seite, »mir liegt sehr viel daran, deine Meinung zu erfahren.«
    Manchmal versuchte ich, mich aus der Affäre zu ziehen. »Aber wozu brauchst du eigentlich meine Meinung? Du weißt doch, daß ich mit der Kritik nichts mehr zu tun habe, denn sie lassen eine wirkliche Kritik ja nicht zu, und wenn man nicht wirklich kritisieren darf, lohnt es sich doch nicht. Ich arbeite in einem Institut und beziehe mein Gehalt. Und ich habe nicht vor, über zeitgenössische Literatur zu schreiben, weder über deine Bücher noch über andere.«
    In solchen Fällen erschrak er, wurde verlegen und schwor, daß er auf eine Kritik in der Presse nicht die geringste Hoffnung habe, daß ihm meine mündlich geäußerte Meinung schon genüge und höchste Autorität bedeute. Und ich streckte natürlich jedesmal die Waffen.
    Einmal übrigens hatte ich mich über Efim sehr geärgert und sagte, allerdings nicht zu ihm, sondern zu meiner Frau: »Wenn er sich blicken läßt, werde ich ihm sagen, daß ich sein Buch nicht gelesen habe und nicht lesen werde. Ich habe keine Lust, von guten Menschen zu lesen. Ich lese gern von Schurken, Pechvögeln, Vagabunden. Von  Tschitschikow ,  Akakij Akakijewitsch  und von  Raskolnikow , der zwei alte Frauen totschlägt, von dem  Menschen im Futteral  oder von  Ostap Bender . Und mein Lieblingsheld ist  ein Deserteur, der mit geklauten Hunden handelt .«
    »Mach mal langsam, nicht so hitzig.« Meine Frau versuchte, mich zu beschwichtigen. »Du kannst ja wenigstens die ersten Seiten überfliegen. Vielleicht ist wirklich was dran.«
    »Fällt mir überhaupt nicht ein. Da ist nichts dran, da kann nichts dran sein. Man ist ein Idiot, wenn man von einer Krähe erwartet, daß sie wie eine Nachtigall singt.«
    »Aber du kannst doch ein wenig drin blättern.«
    »Da gibt es nichts zu blättern!« Ich schmiß das Manuskript in die Ecke, und die Blätter flogen durch das ganze Zimmer.
    Meine Frau ging hinaus, und ich, etwas abgekühlt, begann die Seiten einzusammeln, wobei ich einige überflog und mich über jede Zeile grün und gelb ärgerte. Schließlich hatte ich auf diese Weise das ganze Manuskript durchgeblättert, einige Seiten am Anfang gelesen, den Schluß und die Mitte.
    Der Roman hieß Der Bruch. Ein Teilnehmer einer geologischen Expedition bricht sich das Bein (am Anfang versucht er, es heroisch zu verbergen), der nächste Arzt wohnt in einem 150 km entfernten Dorf, und der Jeep ist fatalerweise kaputt.
    Und nun tragen die guten Menschen ihren tapferen Kameraden durch Regen und Schnee, durch Sumpf und Moor, wobei sie unvorstellbare Strapazen durchstehen. Der Verletzte ist zwar tapfer, aber auf eine positive Weise rückständig. Er bittet seine Freunde, ihn zurückzulassen, denn sie haben ja die Erzader, die der Staat braucht, bereits gefunden. Und da der Staat sie braucht, ist sie ihm mehr wert als sein, des Tapferen, Leben. (Gute Menschen sind eigentlich deshalb gut, weil sie keinen großen Wert auf ihr eigenes Leben legen.) Der Held bittet also, zurückgelassen zu werden und wird selbstverständlich von seinen guten Kameraden gerügt, weil sie sich durch seine Äußerung, sie möchten ihn seinem Unglück überlassen, tief gekränkt fühlen. Und obwohl ihre gesamten Vorräte - Lebensmittel und Tabak - verbraucht sind, obwohl starker Frost einsetzt, bringen sie ihren Kameraden glücklich ans Ziel, sie überlassen ihn nicht seinem Unglück, geben ihm nicht den Gnadenschuß und essen ihn nicht auf.
    Alles klar. Ich machte mir einige Notizen auf einen Zettel und erwartete Efim, um ihm die Wahrheit zu sagen.
    Am Donnerstag erschien er, wie immer schwer beladen mit seiner prallgefüllten Aktentasche, aus der auch ich meinen Anteil in Form einer Dose bulgarischen Auberginen-Kaviars entgegennehmen sollte.
    Wir plauderten über dieses und jenes, über die letzte Sendung der Stimme Amerikas , über unsere Familien, über seinen Sohn Tischka, einen Aspiranten, über seine Tochter Natascha, die in Israel lebte, besprachen einen kühnen Artikel in der Literaturnaja und taxierten die Aussichten von Konservativen und Labour bei den bevorstehenden Wahlen in England. Die Beziehungen von Konservativen und Labour interessierten Efim schon immer aufs
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