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0417 - Die Straße der Gräber

0417 - Die Straße der Gräber

Titel: 0417 - Die Straße der Gräber
Autoren: Jason Dark
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Wann endlich hielt der Lift? Weshalb hatte er sich auch ein Hotel mit zwanzig und mehr Stockwerken aussuchen müssen? Er legte den Kopf in den Nacken, beobachtete die Leiste der aufleuchtenden Zahlen über der Tür und konnte sie kaum erkennen, weil Tränenwasser seinen Blick umflorte.
    Erst als er das Signal hörte, kam ihm zu Bewußtsein, daß der Lift gehalten hatte.
    Schon öffneten sich die beiden Türhälften. Fast lautlos rollten sie nach links und rechts weg, er konnte den Fahrstuhl verlassen, das tat er und war froh, daß ihm niemand auf dem Flur begegnete.
    Der Mann krachte mit der Schulter gegen die Wand. Er hatte sich nicht mehr fangen können. Irgend etwas war da und würgte ihn.
    Vielleicht eine unsichtbare Hand oder eine Schlinge.
    Er blickte nach rechts in den Flur. Da war kein Boden mehr, nur noch ein wallendes Meer, das unterschiedlich hohe Wellen warf, so daß auch die einzelnen Zimmertüren davon in Mitleidenschaft gezogen wurden. Er durfte sich davon nicht beirren lassen, durfte nicht aufgeben und schaffte es auch, ein Bein vor das andere zu setzen. So kam er seinem Ziel immer näher. Auf der rechten Seite lag seine Zimmertür. Nur wußte er nicht, welche Nummer es genau war, er hatte alles vergessen, aber weit brauchte er nicht in den Gang hineinzulaufen.
    Der Teppich dämpfte seine Schritte. Er schleifte an einemkleinen Tischchen vorbei, auf dem eine Vase mit Blumen stand. Mit der rechten Hand berührte er sie, sie fiel und rollte zu Boden. Er holte Luft – einmal, zweimal, dabei blieb er stehen und merkte, daß es ihm wieder besser ging. Ja, nur so kam er zu Kräften.
    Auch der Schwindel verschwand. Selbst der Boden beruhigte sich wieder. Er warf keine Wellen mehr. Er blieb glatt, so wunderbar faltenlos und bedeckt von einem Teppich, über den er gehen konnte.
    Auch seine Schmerzen waren verschwunden. Keine hämmernden Pulsschläge mehr, die sein Hirn auseinanderzureißen schienen.
    Es ging ihm wieder gut. Zwar dachte er noch über das eben Erlebte nach und fühlte sich dabei wie jemand, der alles nur beobachtete, doch die Kraft und Willensstärke war bei ihm wieder vorhanden.
    Auf der anderen Gangseite mußte sein Zimmer liegen. Zum Glück steckte in seiner Hosentasche der flache Schlüssel. Auf dem glänzenden Schild las er 555. Eine Schnapszahl, dachte der Mann und zuckte zusammen, als er angesprochen wurde, denn ein weiterer Gast hatte den Lift verlassen, ohne daß es von ihm bemerkt worden wäre.
    Er wartete, bis der andere verschwunden war, und ging dann auf seine Tür zu.
    Bevor er die Tür öffnete, atmete er tief durch. Seine Gedanken drehten sich um den Vorfall, der im Lift begonnen hatte.
    Es war die zweite Warnung gewesen. Die erste hatte ihn vor wenigen Tagen erreicht, und er wußte, daß er vielleicht eine dritte nicht mehr lebend überstehen würde.
    Deshalb mußte etwas geschehen.
    Als er diesen Vorsatz gefaßt hatte, stieß er die Tür auf, wollte in das Zimmer gehen – und blieb wie angewurzelt auf der Schwelle stehen. Es war unglaublich, nicht faßbar, aber eine Tatsache.
    Der Mann sah nicht in sein eigenes Hotelzimmer, sondernin eine weite, düstere Landschaft, die sich vor ihm ausbreitete und eine Kälte abgab, die ihn schaudern ließ…
    ***
    War es ein Traum?
    Nein, er stand da, blickte in das Zimmer und vermißte die Möbel, das Bett, den TV-Apparat, den Schrank – sein Blick fiel hinein in die ungeheure Weite, eine Landschaft, wie sie düsterer kaum sein konnte.
    Der Mann gewöhnte sich an die Kälte, auch an den Wind, der die Haare bewegte und mit den Schößen seines Jacketts spielte. Der Wind brachte einen anderen Geruch mit. So fremd und eigenartig, aus den Tiefen des Waldes kommend, nach Feuchtigkeit, Erde und Grab riechend. Gleichzeitig nach Bäumen und Schnee, aber nicht nach irgendwelchen Abgasen oder dem Rauch von Industrieschornsteinen.
    Eine reine Luft, die es in der Gegenwart nicht mehr gab, eine Luft, die aus der Vergangenheit stammen mußte.
    Genau, das war es.
    Die Vergangenheit hatte ihn eingeholt, sie mußte vor ihm liegen, und der Mann dachte nach. Währenddessen veränderte sich das Bild vor ihm auf eine nahezu gespenstische Art und Weise. Da rückten einige Dinge zusammen, sie verkleinerten sich, traten konkreter hervor, und die hohen Hügel rechts und links zogen sich zurück, so daß er direkt in ein Tal sehen konnte.
    Ein Tal, eine Straße, die von Häusern flankiert wurde. Eine düstere Atmosphäre, und mitten auf der Straße wuchs aus dem
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