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Die Mütze

Die Mütze

Titel: Die Mütze
Autoren: Wladimir Woinowitsch
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Roman.«
    »Du schreibst schon wieder einen Roman?« wunderte sich Baranow.
    »Das tue ich«, bestätigte Efim selbstzufrieden.
    »Toller Kerl!« lobte Baranow gähnend. »Du arbeitest pausenlos und schreibst schneller, als ich lesen kann!«
    »Ach ja«, erinnerte sich Efim, »hast du schon die Lawine gelesen ?«
    »Lawine?« wiederholte Baranow. »Was für eine Lawine?«
    »Mein Roman, den ich dir letzte Woche geschenkt habe.«
    »Ach ja, ach ja«, sagte Baranow, »jetzt weiß ich es wieder, wieso fragst du danach?«
    »Ganz einfach, mich interessiert deine Meinung darüber.«
    »Aber du weißt doch, daß meine Meinung absolut negativ ist.«
    »Hast du das Buch denn gelesen ?«
    »Nein, versteht sich.«
    »Wie kannst du dann darüber urteilen?«
    »Aber mein Lieber! Wenn man mir verdorbenes Fleisch vorsetzt, kann ich einen Happen nehmen, aber ich muß ihn nicht kauen und schlucken.«
    Das war nicht die erste Unterhaltung dieser Art, aber auch heute fühlte Efim sich gekränkt und schrie Baranow an, er sei ein Banause, der keine Ahnung von Literatur habe und auch nicht wisse, wie viele begeisterte Leser ihm, Efim, dankten. Übrigens habe er erst gestern den Brief einer Frau bekommen, die ihm schrieb, daß sie die Lawine im Kreise der Familie laut vorgelesen habe, wobei sie sich der Tränen nicht habe enthalten können.
    »Hör mal, was sie schreibt.« Efim rückte den Brief zurecht, der bereits vor ihm lag. »>Ihr Buch unterscheidet sich durch humanistisches Pathos und romantische Stimmung auf das vorteilhafteste von der Flut vielleicht realistischer, aber langweiliger Beschreibungen unseres Lebens, mit ihren flügellahmen Helden, deren kleinen Sorgen und dem Irdischen verhafteten Träumen. Es macht uns mit wahrhaften Helden bekannt, die unser aller Beispiel sein sollten. Haben Sie Dank, lieber Genosse Rachlin, daß Sie so sind, wie Sie sind.<«
    »Oh, mein Gott«, stöhnte Baranow, »die Welt wimmelt von Idioten! Wer ist die Person eigentlich? Jedenfalls Rentnerin und Mitglied der kommunistischen Partei. Seit wann?«
    Baranow traf ins Schwarze. Der Brief war unterschrieben: N. Krugiowa, Ehren-Rentnerin, Mitglied der Kommunistischen Partei seit 1927. Aber das sagte Efim nicht.
    »Also gut. Es ist völlig sinnlos, sich mit dir zu unterhalten. Du kannst es eben nicht begreifen.«
    Und er legte auf.
    Seine gute Laune war verflogen. Er hatte auch keine Lust mehr zu schreiben. Die Idee der Operation, die ihm wie von selbst zugeflogen war, gefiel ihm nicht mehr, obwohl er die letzte Szene, in der der frischoperierte Doktor sein Lieblingslied hört, immer noch gut fand.
    »Idiot!« schimpfte Efim und stellte sich dabei Baranow vor. »Frechheit! Wer im Glashaus sitzt... Ich habe elf Bücher geschrieben, und du ?«
    Es war nicht sonderlich schwierig, diese Frage zu beantworten, denn Baranow hatte in seinem ganzen Leben nur eine einzige Novelle geschrieben, die seine Aufnahme in den Schriftstellerverband ermöglicht hatte und dreimal neu aufgelegt worden war. Anderes hatte er nicht zur Welt gebracht, und er verdiente seinen Lebensunterhalt durch Buchbesprechungen für den Militärverlag und populärwissenschaftliche Kurzfilmdrehbücher (im Volksmund Wisprop genannt).
    Übrigens ärgerte sich Efim nicht nur über Baranow, sondern auch über sich selbst. Er wußte nicht, warum er Baranow so viele Rechte einräumte und warum er von ihm so viele Kränkungen und Erniedrigungen einsteckte. Aber das war eben so. Manchmal ließ sich Efim auf lange Diskussionen über die Qualität seiner Bücher ein, und dann schlug ihm Baranow vor, entweder einen Blick in den Spiegel zu werfen oder seine Werke mit denjenigen Tschechows zu vergleichen.
    Gegen Baranows ersten Vorschlag war nichts einzuwenden. Manchmal trat Efim tatsächlich vor den großen Standspiegel im Korridor, betrachtete aufmerksam sein Gegenüber und sah vor sich ein klägliches, faltiges Gesicht mit unbedeutenden Zügen, abstehenden Ohren und kahlem Schädel mit einer einzigen krausen Strähne über der Mitte. Und außerdem große semitische Glubschaugen, in denen nichts zu entdecken war außer einer irgendwie absurden Trauer.
    Was jedoch Tschechow anging, so las ihn Efim wieder und wieder, und zwar sehr aufmerksam. Und schüttelte jedesmal den Kopf. Wenn er Tschechow las, so kam er... nein, er könnte es keinem einzigen Menschen gestehen... unter keinen Umständen. .. wenn er also Tschechow las, so kam er jedesmal zu dem Schluß, daß an allem, was Tschechow geschrieben hatte,
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