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Die Muenze von Akragas

Titel: Die Muenze von Akragas
Autoren: Andrea Camilleri
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muss der Mörder Zuflucht gesucht haben.
    Warum? Das kann Melluso nicht erklären, es ist eine seiner Erleuchtungen, aus der sich die Verbindung zwischen Ficarras Flucht und dem Fundort der Münze ergibt.
     
    Flankiert von seinen üblichen Begleitern Lodico und Gammacurta, sieht Melluso mit Befriedigung den Sonnenaufgang nahen. Er ist steif vor Kälte. Als die Sonne dann auf die Macchia scheint, die die Höhle verbirgt, werden deren Zweige energisch zur Seite gedrückt, und ein Mann in Hosen und Weste aus Barchent erscheint, der die Glieder reckt.
    «Stehenbleiben!», schreit der Beamte von unten zu ihm herauf.
    Vereinbarungsgemäß gibt Gammacurta, ein vorzüglicher Schütze, einen wirkungsvollen Schuss ab, der dicht am Kopf des Mannes vorbeizielt.
    Der hebt entsetzt die Arme.
    «Nicht schießen! Ich bin unbewaffnet!»
    «Komm so runter, dass wir dich immer im Blick haben!», befiehlt Melluso.
    Der Mann beginnt mit nackten Füßen abzusteigen, er hält sich an Felszacken und knotigen Wurzeln fest, die eine Art Treppe bilden. Schließlich kommt er keuchend unten an.
    «Bist du Calcedonio Ficarra, genannt Ernesto?»
    «Jawohl.»
    «Hast du Cosimo Cammarota umgebracht?»
    «Ein Unglück war das, ich schwör’s! Ich wollt ihn nicht umbringen!», schreit Ficarra. Und lacht.
    «Das wirst du dem Richter erklären. Kannst du mir sagen, was daran so lustig ist?»
    «Ich lach ja gar nicht! Das ist ein nervöser Tick!»
    «Wo ist die Münze?»
    «In der Innentasche der Jacke.»
    «Und wo ist die Jacke?»
    «In der Höhle, zusammen mit den Schuhen.»
    Es wäre unvorsichtig, Ficarra selbst hinaufzuschicken, obwohl ihm kein Fluchtweg mehr bleibt. Gammacurta muss zur Höhle klettern.
    Er verschwindet hinter der Macchia und taucht mit einem Paar alter Schuhe in der einen und einer zerschlissenen Jacke in der anderen Hand wieder auf. «Sieh nach, ob die Münze in der Innentasche ist», befiehlt der Beamte von unten. Gammacurta stellt die Schuhe ab, steckt zwei Finger in die Tasche.
    «Hier ist nichts!»
    «Aber ich hab sie da reingetan», sagt Ficarra.
    Die unerwartete Ohrfeige des Beamten bringt ihn ins Schwanken. «Bestimmt?»
    «Ich schwör’s!»
    Unterdessen hat Gammacurta das Futter der Innentasche herausgezogen.
    «Hier ist ein großes Loch!»
    «Dann muss sie in das Jackenfutter gefallen sein, sieh nach!», schlägt Melluso vor.
    «Da gibt’s nichts nachzusehen! Das Futter ist überall zerrissen!»
    «Guck in die anderen Taschen!»
    «Da ist nichts.»
    Diesmal ist es ein Schlag. In den Magenmund. Ficarra krümmt sich lachend vor Schmerzen.
    «Sag mir, wo du sie versteckt hast, oder ich reiß dir die Eier ab.»
    «Ich hab sie ja gar nicht versteckt! Sie muss in der Höhle runtergefallen sein», wimmert Ficarra.
    «Sieh nach, ob sie in der Höhle auf den Boden gefallen ist», gibt der Beamte an Gammacurta weiter.
    «Aber da drin ist es dunkel!», protestiert der Polizist. «Man bräuchte eine Taschenlampe.»
    «Ich habe drei», sagt Lodico.
    «Wo?»
    «In der Satteltasche.»
    «Dann geh sie holen», seufzt Melluso resigniert.
    Für den Weg zu den Pferden braucht Lodico gute zehn Minuten und für den Rückweg ebenso lang.
    Die Münze aber sollte erst viele Stunden später gefunden werden, als die letzte Taschenlampe kurz davor war zu verlöschen und die drei bereits alle Hoffnung aufgegeben hatten.
     
    Als Doktor Gibilaro von dieser letzten Heldentat der kleinen Akragas erfährt, sieht er sich in seiner Theorie bestätigt, dass die Münze abermals für immer verschwinden möchte.
    «Und wo ist sie jetzt?»
    «Im Panzerschrank des Ermittlungsrichters Doktor Gerratana.»
    «Ist sie dort sicher?»
    «Natürlich. Aber ich muss Ihnen sagen, lieber Dottore, dass Ficarra eine andere Version als die Ihre zu Protokoll gegeben hat.»
    «Nämlich?»
    «Nämlich, dass Sie die Münze gesehen haben, weil Cammarota sie in Händen hielt und sie Ihnen schenken wollte. Doch als Sie die Münze an sich nehmen wollten, sind Sie vor Aufregung vom Pferd gefallen. Und dass Sie so reagiert haben, brachte Ficarra auf die Idee, die Münze könnte sehr viel wert sein. Es scheint auch einen Zeugen zu geben, einen gewissen Antonio Prestia. Was soll ich tun, lade ich ihn vor, oder entschließen Sie sich endlich, mir alles zu erzählen?»
    Doktor Gibilaro fällt ein Stein vom Herzen, und er erzählt Melluso, wie es war.
    «Ich verstehe nicht, warum haben Sie mir denn nicht gleich die Wahrheit gesagt?»
    «Ich wollte vermeiden, dass Sie Prestia in die
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