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Die Muenze von Akragas

Titel: Die Muenze von Akragas
Autoren: Andrea Camilleri
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nennen.
    Es sind eigens für diesen Zweck, als Sold für die Soldaten geprägte Münzen, auf der einen Seite sieht man einen Adler mit ausgebreiteten Flügeln und einen Hasen, auf der anderen einen Krebs und einen Fisch. Jede wiegt 1,74 Gramm in Gold, so viel wie die tägliche Ration Weizenmehl, denn in den letzten Monaten fand sich in Akragas leichter Gold zum Schmelzen als Getreide, und eine Münze entspricht dem Lohn für sechs Tage. In Kalebas’ Säckchen befinden sich achtunddreißig dieser Münzen. Während der acht Monate Belagerung hat er gerade einmal zwei für Wein und Hetären ausgegeben. Wenn der Feind gegen die Tore drängt, bleibt dir wenig Zeit für Muße und Vergnügen.
    Jetzt ist er in dem unterirdischen Gang, das Gitter hat er wieder eingesetzt. Gebückt geht er durch das Dunkel, er muss zwanzig Schritte geradeaus, dann nach rechts abbiegen, sich fünf Schritte später nach links wenden und immer geradeaus weitergehen. Doch dies ist kein Stollen mehr, sondern ein ziemlich hoher und etwas abschüssiger, in den Tuffstein gegrabener Gang, gelegentlich von Fackeln erleuchtet, die in der Wand stecken.
    Nach dreihundert Schritten trifft er auf eine kleine Wanne, eine Art Badebecken, das zur Klärung des Wassers dient. Er legt die Toga, die Schuhe, den Dolch, die Tasche und die Feldflasche ab und steigt hinein. Das Wasser ist kühl, augenblicklich fühlt er sich erfrischt. Er wäscht sich sorgfältig, bis er sicher ist, alle Spuren von Blut beseitigt zu haben. Rasch kleidet er sich an, trocknen wird er im Gehen. Er hat einen langen Weg vor sich.
    Natürlich wäre es besser, wenn er ein Stückchen Himmel sehen könnte. In zehn Jahren Söldnerdienst hat er vieles gelernt, womit er seine Haut retten konnte, darunter auch, wie man sich an den Sternen orientiert.
    Dennoch hat er keine Angst, ihn erfüllt die grundlose Gewissheit, dass es ihm irgendwie gelingen wird, den richtigen Weg aus diesem Labyrinth zu finden.
    Plötzlich erkennt er, dass er die letzte Fackel hinter sich gelassen hat. Die Dunkelheit könnte ihn in die Irre führen. Er kehrt zurück, nimmt die Fackel von der Wand und setzt seinen Weg fort.
    Jetzt muss er gebückt vorangehen und wird sehr müde. Aber er will nicht anhalten, er ahnt, dass die Erschöpfung Oberhand gewinnen wird, wenn er sich auf den Boden setzt, um ein paar Minuten auszuruhen. Ratten, groß wie Katzen, flitzen vor seinen Füßen über den Boden, oft streift er mit der Stirn schlafende Fledermäuse, die von der Decke herabhängen. Dann verzweigt sich der Stollen plötzlich. Kalebas weiß, dass er eine Entscheidung treffen muss, von der sein Leben abhängt. Eine Wahl, die keinen Irrtum gestattet. Er schließt die Augen, beschwört den Instinkt, der ihn schon oft gerettet hat. Nichts, kein Hinweis kommt aus seinem Inneren, er muss sich dem Zufall anvertrauen. Er öffnet die Augen und nimmt die Abzweigung nach links.
    Nach gut zwanzig Schritten spürt er, dass etwas nicht stimmt, aber er weiß nicht, was. Er bleibt stehen, denkt nach. Eine Ratte huscht zwischen seinen Beinen hindurch. Jetzt hat er begriffen. In diesem Stollen gibt es keine Fledermäuse. Was kann das bedeuten? Er denkt noch einmal nach, und schließlich gibt er sich die einzig mögliche Antwort. Der Tunnel, durch den er soeben gegangen ist, führt nicht zu einem der vielen geheimen Eingänge, sondern zurück zu den Wegen ins Innere, die auf den Mittelpunkt des unterirdischen Kanalsystems zulaufen. Von dort aus müssten die Fledermäuse zu weit fliegen, um wieder ins Freie zu gelangen. Er kehrt zurück, setzt seinen Weg in dem Stollen fort, der nach rechts abbiegt. Je weiter er kommt, desto zahlreicher werden die von der Decke hängenden Fledermäuse.
    Nachdem er noch eine Ewigkeit weitergegangen ist, spürt er, dass er eine andere Luft atmet. Der Modergeruch, die stickige Luft geschlossener Räume, der Schimmel sind fast völlig verschwunden, stattdessen ein schwacher, entfernter Duft nach nasser Erde und Gras. Er weitet die Nasenflügel, so sehr er kann, atmet tief ein. Nein, er irrt sich nicht.
    Er geht schneller, und plötzlich hat er den ersehnten Ausgang vor sich, den auf der Außenseite dichte Macchia aus Wildkräutern verbirgt. Er hat es geschafft! Die letzten Kräfte verwendet er darauf, sich mit dem Dolch eine Bresche durch die Zweige des Gebüschs zu schlagen, dann schlüpft er ins Freie.
    Er braucht nicht lang, um zu erkennen, dass er jenseits der Stadtmauern hervorgekommen ist. Er steht auf einem
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