Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen
Autoren: Wolf Serno
Vom Netzwerk:
für den Braten, ja? Gut … äh, da wollte ich fragen, was denn aus Enano, dem Zwerg geworden ist.«
    Vitus lehnte sich zurück und musste an sich halten, um ein Lachen zu unterdrücken. Daher also wehte der Wind! Die korpulente Köchin hatte offenbar noch immer eine Schwäche für den frechen Winzling. Sie vermisste ihn! »Ich denke, es geht ihm gut. Er hat jetzt ein kleines Töchterchen.«
    »Was?« Catherine Melrose schnappte nach Luft, ihre Augen schossen Blitze der Eifersucht.
    Vitus beeilte sich zu erklären, dass Nella vom Zwerg adoptiert worden war, mithin keine Fleischeslust von ihm ausgeübt worden sei, was die dicke Köchin sehr beruhigte.
    »Wann wird Enano denn zurück sein?«, fragte sie begierig.
    »Ich weiß es nicht. Ich hoffe, bald.«
    »Hauptsache, er lebt. Dann kommt er auch wieder.« Rotwangig und beschwingt verschwand Mrs. Melrose.
    Vitus aß kaum etwas, denn er hatte keinen Appetit.
    So endete sein dritter Tag auf Greenvale Castle.
     
    Eine Woche später saß er in der Bibliothek und schrieb mittlerweile schon den fünften oder sechsten Brief an Nina. Diesmal berichtete er von seiner Ankunft auf Greenvale Castle, von den Leuten, ihrer Arbeit und dem täglichen Leben, und manchmal war es ihm dabei, als säße sie direkt neben ihm. Er glaubte wahrhaftig, ihre Stimme zu hören und den Duft nach Rosenöl in ihrem Haar zu riechen.
    Umso einsamer fühlte er sich anschließend, als er sein Schreiben beendet und versiegelt hatte. Was mochte sie wohl gerade tun? Ob sie an ihn dachte? Ging es ihr gut? Fragen, Fragen, Fragen – und keine Antwort. Er hoffte täglich auf einen Brief von ihr, aber das war natürlich Unsinn, wo er doch erst so kurz auf Greenvale Castle weilte …
    Da klopfte es und Catfield erschien, gefolgt von Hartford, der den Arm voller Papiere hatte. »Mylord, stören wir?«
    Vitus hätte am liebsten mit »Ja« geantwortet, aber das kam selbstverständlich nicht in Frage. Also sagte er »Nein« und ließ die beiden an seinen Schreibtisch treten.
    Catfield erklärte ihm lang und breit, wie reich die Ernte dieses Jahr, wenn alles gut ginge, wieder ausfallen würde, nahm erschöpfend zu den einzelnen Erträgen Stellung, sprach über Märkte und Preise und darüber, welche Neuanschaffungen er mit den zu erwartenden Erlösen erwerben wollte. Vitus hörte nur mit halbem Ohr zu und gab zu allem seine Einwilligung.
    Als das Geschäftliche schließlich erledigt und Catfield schon im Hinausgehen begriffen war, drehte er sich noch einmal um und räusperte sich umständlich. »Was ich noch sagen wollte, Mylord, wir alle fragen uns, was wohl aus dem Herrn Magister geworden ist.«
    »Ja, das tun wir«, pflichtete ihm Hartford bei.
    »Der Herr Magister war, als ich ihn zuletzt sah, wohlauf. Er befand sich in Campodios, zusammen mit dem Zwerg Enano und dessen Töchterchen. Ich nehme an, es hat sich herumgesprochen, dass er Vater geworden ist?«
    »Ja, Mylord, man hörte so etwas aus der Küche.«
    »Das dachte ich mir.«
    »Dürfen wir denn mit der baldigen Rückkunft Eurer Freunde rechnen, Mylord?«
    Vitus seufzte: »Ich gäbe viel darum, wenn ich es wüsste.«
    »Jawohl, Mylord.«
    Beide verbeugten sich und verschwanden.
    Vitus blieb allein zurück.
     
    Zwei Wochen später ritt er wieder nach Worthing, um zu erfahren, was der Rat der Stadt in Sachen Pestvorsorge beschlossen hatte.
    Man war überaus freundlich und erklärte ihm mit vielen Worten, warum bislang so wenig unternommen worden sei. Hauptgrund wäre die finanzielle Lage der Stadt, diese hätte sich in den letzten Jahren sehr verschlechtert, wie er sicherlich wüsste, und so weiter und so weiter … Sein Zornesausbruch hatte tausend Entschuldigungen und Verbeugungen zur Folge – sonst aber nichts.
    Die Begegnung mit Reverend Pound, dem alten Freund der Familie Collincourt, verlief erfreulicher. Sie saßen in seinem Haus neben der Kirche, und der Gottesmann erkundigte sich lebhaft nach dem Magister und dem Zwerg, während er seine Haushälterin hin und her scheuchte, damit sie Speise und Wein für den hohen Gast herbeihole. Vitus hätte gern über Nina gesprochen, versagte es sich aber. Schließlich wusste er nicht, wie es mit ihm und ihr weitergehen würde.
    Am späteren Nachmittag traf er wieder auf Greenvale Castle ein. Da er sonst nichts zu tun hatte, wanderte er kurz darauf zu dem See ganz in der Nähe und beobachtete die Enten und Frösche. Es waren viele Enten und viele Frösche, und alle schienen sich ihres Lebens zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher