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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen
Autoren: Wolf Serno
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stand. Darunter die Worte, die der Magister einst eigenhändig hineingemeißelt hatte, um ihn zu trösten:
     
    OMNIA VINCIT AMOR
     
    »Die Liebe besiegt alles«, flüsterte Vitus. »Weißt du noch, Arlette, was der Magister zu mir sagte, als wir gemeinsam hier standen? Er sagte, er habe es für jemanden getan, der es nicht mehr konnte – für dich. Die Liebe besiegt alles, das sei deine Botschaft an mich. Ich habe sie verstanden, deine Botschaft, Arlette, obwohl ich nie geglaubt hätte, dass deine Liebe mir helfen würde, eine neue zu finden. Nina ist eine wunderbare junge Frau, so wunderbar, dass ich wahrhaftig nicht sicher bin, ob ich sie verdient habe. Sie würde dir gefallen, Arlette, obwohl sie so ganz anders ist als du, sanfter, ruhiger, stetiger – aber genauso stark. Ich liebe sie, Arlette, und ich wünsche mir nichts mehr, als dass du damit einverstanden bist.«
    Er spürte, wie ihm die Tränen kamen, darum sprach er rasch ein kurzes Gebet, bevor er die Familiengruft verließ.
    Spät am Abend schrieb er noch einen Brief an Nina. Es wurde ein langer Brief, in dem er ihr immer wieder versicherte, dass er sie liebe und wie sehr sie ihm fehle.
    So endete sein erster Tag auf Greenvale Castle.
     
    Der zweite Tag begann abermals mit einem einsamen Mahl im Grünen Salon. Vitus brachte es möglichst schnell hinter sich und ließ Odysseus satteln.
    Nach einem ausgedehnten Ritt über die Ländereien, bei dem Catfield ihn bis ins Kleinste über Zustand und Reifegrad von Körnern, Früchten und Gemüsen informierte, nach einer eingehenden Inspektion aller Scheunen und Vorratsräume, bei der Hartford, der Assistent Catfields, keine Erklärung schuldig blieb, nach einer eingehenden Visite der Werkstätten, einem ausgiebigen Gang durch die Stallungen, einem Abstecher in die Kellergewölbe, wo die Weine von Greenvale Castle lagerten, gelangte Vitus schließlich in die Küche, ins Reich von Mrs. Melrose. Und was er dort sah, erstaunte ihn. Die bärbeißige Köchin hatte nicht weniger als zehn verschiedene Speisen vorbereitet, unter denen er für das Abendessen wählen sollte.
    »Das ist alles viel zu viel!«, rief er aus.
    »Aber nein, Mylord! Ihr solltet sehen, wie mager Ihr geworden seid. Ihr braucht wieder was auf die Rippen, äh … Verzeihung, ich wollte Euch nicht … Ihr wisst schon. Jedenfalls müsst Ihr kräftig essen. Am besten, ich lasse Euch alle Speisen auftischen.«
    »Großer Gott, nein!« Vitus deutete auf drei oder vier der Köstlichkeiten. »Die mögen genügen.«
    Am Nachmittag zog er sich erneut mit seinen Büchern zurück. Er dachte an seine Königin und an die Notwendigkeit, alles zu tun, damit England niemals wieder von der Pest heimgesucht wurde. Er setzte einen langen Brief an Walsingham auf mit Vorschlägen, wie man im ganzen Land zu mehr Sauberkeit und Gesundheitspflege kommen könne. Erstmals unterschrieb er mit seinem neuen Titel und fügte an, er würde den Briefkontakt gern aufrechterhalten, vorausgesetzt, Walsingham habe Zeit, ihm zu antworten.
    Abends saß er dann im Grünen Salon, umgeben von verführerischen Düften. Doch war er wiederum allein, und deshalb wollte es ihm nicht schmecken. Seine Freunde fehlten ihm.
    Und noch mehr fehlte ihm Nina.
    So endete sein zweiter Tag auf Greenvale Castle.
     
    Am dritten Tag ritt er nach Worthing und sprach mit dem Bürgermeister und den Honoratioren der Stadt. Die Herren hatten schon von seiner neuen Peerswürde gehört und begrüßten ihn unter vielen Verbeugungen. Auch ihnen gegenüber sprach er von der neuen Sauberkeit als bestem Mittel, die Pest zu verbannen. Man sicherte ihm zu, seine Wünsche und Forderungen bei der nächsten Ratssitzung zu besprechen.
    Anschließend suchte er ein Bankhaus auf und holte nach, wozu er in London nicht gekommen war: Er unterschrieb eine Order über die Summe, die er Giancarlo Montella, dem Wein- und Vasenhändler aus Chioggia, noch schuldete, und ließ gleichzeitig Grüße und Dank übermitteln.
    Abends begab er sich wie gewohnt in den Grünen Salon und wartete auf die Speisen. Doch zu seiner Überraschung erschien nicht Mary, um ihm aufzuwarten, sondern Mrs. Melrose höchstpersönlich. »Nanu, ist Mary krank?«, fragte er.
    »Nein, nein, Mylord.« Die dicke Köchin suchte nach Worten, während sie ihm Braten vorlegte. »Es ist nur, weil … nun, ja, weil Ihr doch ganz allein zurückgekehrt seid.«
    »Da habt Ihr Recht. Das bin ich.«
    »Und da wollte ich mal fragen, äh … Ihr habt doch genug Beiguss
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