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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen
Autoren: Wolf Serno
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kosteten; Geld, das, wenn sie ihrem Lordschatzmeister Sir William Cecil glaubte, England mehr denn je an tausend anderen Stellen brauchte.
    »Ich habe mit Staatssekretär Walsingham über das Geheimnis Eurer Abstammung gesprochen«, sagte sie laut. »Er ist der Meinung, es bestünde kein Zweifel daran, dass in Euren Adern das Blut der Collincourts fließt.«
    Vitus fühlte sich etwas überrumpelt von dem plötzlichen Themenwechsel, fing sich aber rasch. »Das erleichtert mich sehr, Majestät! Der Advocatus Hornstaple hat, wie Ihr vielleicht wisst, in der Vergangenheit keine Gelegenheit ausgelassen, mit immer neuen Spitzfindigkeiten meine rechtmäßige Abstammung anzuzweifeln. Das am meisten von ihm vorgetragene so genannte Argument ist, ich sei von unbekannter Hand vertauscht worden, nachdem Lady Jean mich vor dem Tor des Klosters Campodios ablegte.«
    Elisabeth begann an den Fingerlingen ihrer weißen Handschuhe zu zupfen – ein Zeichen dafür, dass ihr Interesse an der Audienz weiter nachließ. »Walsingham hatte ein einleuchtendes Gegenargument: Er sagte, keine Mutter würde das eigene Kind gegen ein fremdes austauschen – eine solche Handlung entbehrte jeglicher Logik.«
    »Ich bin ganz seiner Meinung, Majestät. Dabei fällt mir ein: Ein zweiter Stachel Hornstaples war die Behauptung, es könne genauso gut eine andere Frau gewesen sein, die ihr Kind ablegte. Dass dies nicht der Fall war, kann ich nun endlich zweifelsfrei beweisen. Ich habe hier das Protokoll über die Aussage einer Bäuerin, deren Haus in der Nähe von Campodios steht. Die alte Tonia bezeugt darin vor Gott, dass Lady Jean bei ihr verstarb, nachdem sie mich ausgesetzt hatte.«
    Elisabeth ergriff das Papier. Ihr Interesse an dem Fall flackerte wieder auf. »Kennt Staatssekretär Walsingham das Protokoll?«
    »Nein, Majestät.«
    Elisabeth spürte so etwas wie Befriedigung, dass der sonst so allwissende und umfassend informierte Geheimdienstleiter einmal etwas nicht kannte, und begann zu lesen. Als sie fertig war, gab sie das Papier zurück und sagte: »Ein wichtiges Dokument, Cirurgicus. Weniger für mich als vielmehr für die zahllosen Neider, die einer, der erbt, stets zu haben pflegt. Es wird sie endgültig mundtot machen.«
    »Vielen Dank, Majestät.«
    »Auch ich habe einige Dokumente für Euch.« Elisabeth blickte auffordernd eine ihrer Hofdamen an, woraufhin diese sich rasch erhob, zu einer Kredenz eilte und von dort mehrere Pergamentrollen herbeiholte. »Dokumente von großer Bedeutung, Cirurgicus, denn sie werden Euer gesamtes zukünftiges Leben bestimmen.«
    Die Königin entfaltete die erste Rolle. »Hier vielleicht das Wichtigste: Ich verfüge darauf mit Siegel und königlicher Unterschrift, dass Ihr als ein Spross der Collincourts anzuerkennen und zu respektieren seid.«
    Vitus nahm das Dokument entgegen. Er war plötzlich so aufgeregt, dass die einzelnen Zeilen vor seinen Augen tanzten, nur der große, mit vielen Schnörkeln unter dem Z versehene Schriftzug
     
    mit dem folgenden für REGINA stehenden R war ihm erkennbar.
    »Das zweite Dokument legt fest, dass Greenvale Castle mit allen Gebäuden und Ländereien Euer ist. Ihr seht es auch an weiteren Papieren, beispielsweise an dieser Gemarkungsurkunde, in die bereits Euer Name eingetragen wurde. Darüber hinaus lege ich fest, dass Ihr fortan offiziell Vitus von Collincourt heißt.«
    Elisabeth machte eine Pause und zupfte erneut an ihren Fingerlingen. Dann hob sie den Kopf und blickte Vitus direkt an. »Wenn ich den erstaunten Ausdruck in Euren Augen richtig deute, fragt Ihr Euch jetzt, warum ich Euch die Peerswürde eines Lords nicht zuerkenne. Die Antwort ist einfach: Der Titel Lord ist nur dann erblich, wenn der Betreffende ein Abkömmling in direkter männlicher Linie ist. Das aber liegt bei Euch nicht vor.«
    »Äh, ja. Jawohl.«
    »Euer Vater heißt, nach allem, was wir wissen, Warwick Throat und ist Leinenwebergeselle.«
    »Jawohl, Majestät.« Vitus hatte sich zwar nie nach dem Titel gedrängt, aber jetzt, wo er ihm versagt wurde, fühlte er doch Enttäuschung.
    »Dennoch soll nicht vergessen werden, dass in Euren Adern von mütterlicher Seite edelstes Blut fließt, ebenso wie nicht übersehen werden darf, dass Ihr Euch zum Ruhme Englands mit der Erforschung und der Bekämpfung der Pestursachen beschäftigt habt. Euer Buch
De Pestis Causis
ist ein Werk von bedeutendem Rang. Die ganze Tragweite Eurer Erkenntnisse werden vielleicht erst kommende Generationen zu würdigen
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