Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
DIE MEROWINGER: Schwerter der Barbaren

DIE MEROWINGER: Schwerter der Barbaren

Titel: DIE MEROWINGER: Schwerter der Barbaren
Autoren: Robert Gordian
Vom Netzwerk:
trugen ihn davon.
    Um auf den Bohlen des Wehrgangs nicht auszugleiten, tastete er sich mit beiden Händen an den rauhen Steinen der Brustwehr entlang. Keuchend und schwitzend gelangte er an die Leiter. Eine schadhafte Sprosse brach unter seinem Gewicht. Mit einem kläglichen Schrei glitt er die restlichen sechs, sieben Fuß hinab und fiel hin. Er verspürte einen Schmerz in der Schulter, raffte sich aber auf, sah sich um.
    Die zwanzig Männer seiner Leibwache, die ihn herbegleitet hatten, waren ebenso verschwunden wie die Diener mit seiner Sänfte. Das Gefühl, von allen verlassen und verraten zu sein, übermannte ihn. Tränen traten ihm in die Augen.
    In seiner Verwirrung schlug er den falschen Weg ein, wankte an der Mauer entlang in Richtung des Nordtors.
    Ein paar Frauen kamen ihm entgegen, schrien ihm etwas zu, liefen vorüber. Ein hochbeladener Wagen, von vier Pferden gezogen, raste heran und streifte ihn. Vom Verdeck fiel eine Kiste herab, traf ihn wie ein Geschoss und warf ihn zu Boden. Und nur der Umstand, dass er noch immer den Helm mit dem roten Busch trug, rettete den letzten Statthalter Roms in Gallien vor einem zufälligen und schmählichen Ende.
    Er lag noch im Staub, als ihn Hände ergriffen und hochzerrten. Er wehrte sich heftig, schrie, schlug um sich – das mussten ja schon die Franken sein! Gleich würden sie ihn vor Chlodwig schleppen, demütigen, foltern und umbringen.
    Eine Stimme sprach heftig auf ihn ein. Er brüllte dagegen und protestierte gegen diese Behandlung. Doch plötzlich erkannte er die Stimme. Als er aufblickte, sah er Leunardus.
    Voll tiefer Besorgnis starrte der Weißbart ihn an.
    »Patricius!«, sagte er hastig. »Komm zu dir! Was tust du hier? Es ist höchste Zeit! Sie werden gleich hier am Nordtor sein. Aber wir kommen noch fort. In ein paar Tagen sind wir in Paris!«
    »Wo sind meine Leute?«, keuchte Syagrius.
    »Kümmere dich nicht um sie. Die meisten sind schon übergelaufen. Alle Wachen ergeben sich. Die Schlacht ist verloren, aber du kannst dich noch retten. Du hast noch andere Städte und Festungen. Und ein paar hundert Mann sind dir treu geblieben. Wir konnten auch noch einen Teil des Schatzes hinausschaffen. Auch deine Gemahlin ist schon fort.«
    »Wie? Sie ist fort? Titia ist ohne mich aufgebrochen?«
    »Verzweifelt. Sie hatte Fieberanfälle. Aber sie konnte noch ihre Juwelen hinausbringen.«
    Diese Mitteilung hatte eine ernüchternde Wirkung auf den Patricius.
    Plötzlich empfand er Selbstmitleid, Zorn und Empörung. Er hatte sich in sein Schwert stürzen, mit seinem Blut die Ehre Roms retten wollen. Fast wäre er, von allen verlassen, verwundet, als letzter Verteidiger seinen Feinden in die Hände gefallen.
    Hier aber dachte man nur an Juwelen und Schätze und wie man mit heiler Haut davonkam!
    Er erkannte, dass die Gesellschaft dieses heruntergekommenen Restimperiums seiner Aufopferung nicht würdig war, und entschied – sich den Flüchtenden anzuschließen.
    Man hob ihn in den mit Söhnen, Töchtern und Fluchtgepäck vollgestopften Reisewagen des Leunardus. Nochmals in den Palast zurückzukehren, blieb keine Zeit mehr. Nicht einmal sein geliebtes Spielbrett und seine Sammlung von Lärminstrumenten konnte er mitnehmen.
    Ohne Verzug ging es quer durch die Stadt nach dem Südtor.
    ***
    Als sie in die Gasse einbogen, an deren Ende sich das Tor öffnete, gerieten sie in ein Gedränge.
    Alle möglichen Arten von Beförderungsmitteln stauten sich hier, vom eleganten Reisewagen bis zum schäbigsten Bauernkarren. Die Kutscher fluchten und peitschten die Pferde und Ochsen. Die Insassen der Wagen beschimpften einander. Höherrangige beanspruchten Durchlass, wurden jedoch grob zurückgewiesen.
    Ein Senator, der seinem Kutscher befahl, ein armseliges Gefährt, das den Weg versperrte, beiseitezuräumen, wurde von seiner Carruca gerissen und verprügelt. Die Wütenden warfen den Wagen um, schlugen auch die Frau, die Kinder und Diener des Mannes und bemächtigten sich seines Gepäcks.
    Mit der Niederlage des Militärs löste sich jede Ordnung auf. Vornehme Emigranten irrten in ihrer panischen Furcht vor den Barbaren umher und boten Höchstpreise, um befördert zu werden. Zwischen den Wagen drängte sich zweifelhaftes Volk – zurückgelassene, herrenlose Sklaven zumeist –, das nicht die Absicht hatte zu fliehen. Es wollte nur zugreifen, bevor die Franken kamen und nichts mehr übrig ließen. Man riss Perlenketten von Hälsen, schnitt Geldbeutel von Gürteln, schleppte Kleider
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher