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Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy

Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy

Titel: Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy
Autoren: Adaobi Tricia Nwaubani
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Hand auf die Schulter. Meine eigenen Augen hatten keine Tränen mehr, die sie vergießen konnten.
    Er berichtete, böse Zungen würden das Gerücht verbreiten, Cash Daddy hätte sein Leben mitten in einem Orgasmus ausgehaucht. Er berichtete, dass die wirklich wichtigen Leute bei der Planung von Cash Daddys Beerdigung außen vor gelassen würden. Die National Advancement Party und die Regierung des Bundesstaates Abia hatten gemeinschaftlich die Absicht verkündet, »unseren großen Friedenspolitiker, der ein herausragendes Beispiel für Politik ohne Bitterkeit hinterlässt«, mit einem entsprechenden Staatsbegräbnis zu würdigen. Er berichtete, wie schlecht der Schauplatz des Verbrechens bewacht worden war. Cash Daddys Hotelzimmer war erst mehrere Stunden nach der Entdeckung seiner Leiche abgeriegelt worden. Die englische Polizei hatte mehr als fünftausend Fingerabdrücke gefunden. Er ließ sich darüber aus, welch ein friedliebender Mann Cash Daddy gewesen war. Andernfalls hätte er längst seine Gegner erledigt, bevor sie ihn erledigten.
    Schließlich kam er zum Ende. Ich nahm die Hand von seiner Schulter. Wir schwiegen, dann lachte ich leise. Protocol Officer sah mich verblüfft an.
    »So wie ich Cash Daddy kenne«, sagte ich grinsend, »würde es mich nicht überraschen, wenn er aus dem Sarg aufsteht, während wir alle zur Beerdigung versammelt sind.«
    Er dachte einen Augenblick nach. Zu meiner Erleichterung kicherte er.
    »Cash Daddy, Cash Daddy«, sagte er. »Es gibt keinen Zweiten wie ihn auf der Welt.«
    Danach trat erneut Schweigen zwischen uns ein. Plötzlich langte er in die Innentasche seiner Jacke, holte einen Stapel Papier hervor und legte ihn mir auf den Schoß.
    »Was ist das?«, fragte ich.
    Gleichzeitig schaute ich darauf und schnappte nach Luft. Blatt um Blatt die Daten ausländischer Bankkonten. Cash Daddys Allerheiligstes.
    »Was ist das?«, fragte ich erneut. Diesmal war die Frage anders gemeint.
    »Kings, Cash Daddy hat große Stücke auf dich gehalten. Du bist der Einzige, der seine Arbeit weiterführen kann.«
    Er fischte auch noch zwei große glänzende Schlüssel aus seinen Strümpfen und hielt sie mir hin.
    »Die Schlüssel zu den Büroräumen in der Unity Road«, sagte er. »Du kannst sie jederzeit wieder öffnen.«
    Ich starrte auf die Schlüssel und die Papiere.
    »Warum bringst du sie mir?«
    »Kings, wenn Cash Daddy geahnt hätte, dass ihm etwas zustößt, hätte er sie dir gegeben.« Er hielt inne. »Das weiß ich genau.«
    Ich starrte weiter auf die Schlüssel. Eine Welle der Emotionen füllte mein Herz. Anders als mein leiblicher Vater, der mir nichts als große Ideale und ein paar Lehrbücher hinterlassen hatte, hinterließ mir Cash Daddy ein florierendes Unternehmen. Ich war gerührt. Und stolz.
    Ich griff nach den Schlüsseln in Protocol Officers ausgestreckter Hand.
    Ich dachte an meine Mutter. Ich dachte an Merit. Mein Verstand schaltete in den Rückwärtsgang.
    Vielleicht war dies die Chance, meine Gewinne einzustreichen und die CIA zu verlassen. Der Entzug würde mir sicher nicht leicht fallen, aber mit den Millionen, die ich auf der Bank hatte, konnte ich mein Leben nach und nach auf neue Füße stellen. Mein Vater hatte mich zum Ingenieur ausersehen; mein Onkel hatte mich zu 419 überredet. Zur Abwechslung würde ich jetzt einmal selbst entscheiden, was ich mit meinem Leben anfangen wollte. Ich zog die Hand zurück, ohne die Schlüssel zu berühren.
    »Nein«, sagte ich zu Protocol Officer. Ich sammelte die Blätter ein und legte sie ihm auf den Schoß. »Nein, ich will sie nicht.«
    »Kings?« Protocol Officer riss Mund und Augen auf.
    Ich schüttelte weiter den Kopf. Er starrte mich weiter mit offenem Mund an. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich das Gefühl, etwas selbst zu bestimmen. Ich hatte mein Geschick in der Hand.

    EPILOG

    ute Mütter wissen, was Geduld heißt. Sie wissen, was es heißt, ein verheißenes Kind neun lange Monate mit sich herumzuschleppen und dann zu pressen und zu keuchen, bis das Köpfchen hervorkommt; sie wissen, wie es ist, stillsitzen zu müssen und zusammenzuzucken, wenn sich Gaumen um wunde Brustwarzen schließen; sie wissen, wie es ist, die ganze Nacht am Bett zu sitzen und zu beten, dass die vom Arzt verschriebene Medizin hilft; sie wissen, dass sie, selbst wenn es scheint, dass ihre Geduld aufgebraucht ist, noch mehr haben müssen. Deswegen konnte Augustina kaum glauben, dass der Tag endlich gekommen war.
    Die
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