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Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy

Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy

Titel: Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy
Autoren: Adaobi Tricia Nwaubani
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Jahrgangs erzielte oder dass ihr Englisch beinahe so rasant war wie das der Ordensschwestern. Nach der höheren Schule war das Thema Ausbildung ein für allemal erledigt, und Augustina wurde als Lehrling zur Schwester ihres Vaters geschickt, die eine erfolgreiche Schneiderin war. Ihre Tante war mit einem hoch angesehenen Lehrer verheiratet. Er war so hoch angesehen, dass er von allen Leuten Teacher gerufen wurde. Auf diese Weise geschah es, dass sie Isiukwuato verließ und nach Umuahia ging.
    Augustina lebte schon einige Monate bei Teacher und Tante, als die Nachricht eintraf, dass ein Freund von Teacher zu Besuch kommen wollte. Der Freund hatte in Großbritannien studiert, an einer Technischen Hochschule, und arbeitete mittlerweile als staatlich angestellter Ingenieur in Enugu. Jetzt wollte er seinen Jahresurlaub in seiner Heimatstadt Umuahia verbringen. Sobald sein Brief eingetroffen war, verkündete die Tante sämtlichen Nachbarn die Neuigkeit. Die meisten kannten den erwarteten Gast vom Hörensagen. Sie sagten, er sehe gut aus. Sie sagten, er trage stets Schuhe, selbst wenn er bloß im Haus sitze und lese. Sie sagten, er benehme sich wie ein weißer Mann, spreche Englisch durch die Nase und esse mit der Gabel. Manche schworen sogar, sie hätten ihn niemals furzen hören.
    Als der Ingenieur in seinem weißen Peugeot 403 vorfuhr, waren Augustina, Tante, Teacher und die fünf Kinder in ihren Sonntagskleidern herausgeputzt und warteten auf der Veranda. Sobald Augustina seiner ansichtig wurde, wusste sie, selbst wenn seine Schritte ihn nicht in ihren Innenhof geführt hätten, wäre sie auf allen vieren über Glasscherben gekrochen, hätte sie sieben Meere durchschwommen und sieben Berge bestiegen, bloß um ihn an diesem Tag zu sehen. Engineer sah umwerfend gut aus. Sein Rücken war gerade, seine Hände steckten stets tief in den Hosentaschen, und seine Schritte waren so klein und schnell, als hätte er eine dringende Verabredung am Ende der Welt. Wer ihm auf dem Weg zum Bach begegnete, konnte ihn für einen Gesandten der Geisterwelt halten, der sich auf einer besonderen Mission im Land der einfachen Sterblichen befand.
    Nach dem Mittagessen setzten sich alle ins Wohnzimmer. Engineer schlug das rechte Bein über das linke und gab Geschichten aus dem Land der Weißen zum Besten.
    »Es gibt Zeiten, wenn die Sonne nicht scheint«, sagte er, »dann ist es so kalt, dass selbst die Pflanzen sich fürchten und nicht aus der Erde kommen. Deswegen ist die Haut der Menschen so weiß. Unsere Haut ist viel dunkler, weil die Sonne zu lange auf uns herabgelacht hat.«
    Sie saßen mit offenem Mund und großen Augen da und schauten vom einen zum andern.
    »Wenn das Wetter so ist, sind die Sachen, die sie anziehen, noch dicker als das Fell auf einem Schaf. Und wenn sie sich nicht dick anziehen, kann die Kälte sogar tödlich sein.« Sie saßen mit offenem Mund und großen Augen da und schauten vom einen zum andern.
    »Und Straßen haben sie, da kann man Meilen und Meilen laufen, ohne ein Sandkorn zu sehen. Ja, man kann sogar mehr als eine Woche lang dieselben Sachen anziehen, ohne dass sie schmutzig werden.«
    Sie saßen mit offenem Mund und großen Augen da und schauten vom einen zum andern. Wäre es ein anderer gewesen, der die Geschichten erzählte, hätten sie sofort gewusst, dass er viel zu tief in den Palmweinbecher geguckt hatte.
    »Deswegen ist eine gute Ausbildung so wichtig«, sagte Engineer abschließend. »Diese Menschen haben gelernt, die Welt nach ihren Vorstellungen zu verändern. Sie wissen, wie man es kalt macht, wenn es draußen zu heiß ist, und sie wissen, wie man es warm macht, wenn es draußen zu kalt ist.«
    Er hielt inne und lehnte sich in seinem Sessel zurück. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit seinem Freund und Gastgeber zu.
    »Wie sieht es bei den Kindern mit der Schule aus?« Teacher nahm eine andere Haltung ein, um das zusätzliche Gewicht richtig zu verteilen, das sein Stolz ihm auf einmal verlieh.
    »Oh, sehr sehr gut«, antwortete er. »Alle haben im Rechnen sehr gute Noten.«
    Engineer lächelte.
    »Lauft los, … holt eure Hefte. Zeigt sie ihm«, sagte Teacher.
    Die Kinder marschierten hinaus wie ein Bataillon Heeresameisen, der Älteste voran. Sie kehrten in derselben Reihenfolge zurück, jeder mit einem orangefarbenen Schulheft in der Hand. Engineer blätterte alle Hefte Seite für Seite durch und lächelte dazu wie ein Apostel, dessen Neubekehrte das Credo aufsagten. Als Letztes kam er zum
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