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Die Maya-Midgard-Mission

Die Maya-Midgard-Mission

Titel: Die Maya-Midgard-Mission
Autoren: Bernd Sieberichs
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für die Wasserbecken, in die er die Gaben des Regengottes zur Verwendung bei Bedarf ableitete. Und sein ganzer Ehrgeiz als Baumeister hatte der ständigen Verbesserung der Rinnen und Becken gegolten. Sie alleine machten die Behaglichkeit eines Hauses und einer Siedlung aus; sie alleine konnten über die Zufriedenheit der Anwohner bestimmen. Doch auf einmal schien Kabyum Kins Fähigkeit nicht mehr gebraucht. Wie sonst sollte er sich erklären, dass man ihn zum Bau der großen sacbé dienstverpflichtet hatte, ohne seinen Einwänden Gehör zu schenken? Der alte Baustil schien zusammen mit der fehlenden Feuchtigkeit zusehends in Ungnade zu fallen: Überall sah man schmucklose Steinhäuser mit nackten Fassaden; überall roh behauener Stein anstelle feiner Stuckarbeiten. Hastig zusammengewürfelte Häuser ohne Seele. Nirgendwo ließ sich besser ablesen, dass der seit vielen baktun bewährte Lebensstil verschütt zu gehen drohte.
    Seit vielen Jahren beobachtete Kabyum Kin, dass seinen Mitbürgern allmählich das Verständnis für die Bedeutung der h ohen Kunst der Architektur verloren ging. Doch nicht nur der Niedergang der Baukunst kerbte ihm die Kummerfalten ins Gesicht.
    Kabyum Kins Bruder war bis zu seiner Zwangsrekrutierung und dem Heldentod bei Emal Bauer gewesen. RauchFrosch wusste, wie man Urwaldböden für den Maisanbau b ereiten musste. Er hatte gelernt, wie man aus Pflanzen Kleidung macht, und er kannte die Mühsal und die Notwendigkeit dieser Arbeit. Doch seine Kinder weigerten sich zu lernen. Mit dem Ackerbau geschah das Gleiche wie mit der Architektur. Wie mit allen Künsten. Sie wurden entweder als angeborene Fähigkeit wie das Atmen oder aber als lästige Notwendigkeit wie das Schlafen betrachtet. Die Menschen liefen in Gefahr zu vergessen, welche Anstrengungen ihre Vorfahren unternehmen mussten, um im oft genug tödlichen Wechsel von Erfolg und Misserfolg, von Gelingen und Scheitern, das Wissen um die lebenserhaltenden Künste zu erwerben. Zuviel Energie wurde auf die Ehrung neuer Gottheiten und die Huldigung Gottgleicher verwandt.
    Das störte nicht nur Kabyum Kin, sondern auch weit machtbewusst ere und ehrgeizigere Männer als ihn. Diese Männer verfügten auch über die Mittel, Zustände und Menschen in ihrem Sinne zu beeinflussen. Intrige und politisches Ränkespiel hatten so Einzug im Dreikönigreich gehalten, lange bevor die alles verschlingende Torheit der Bleichhäutigen die meisten Nachfahren Kabyum Kins töten würde, wie die Weissagung seines geschätzten Schamanenfreunds, Ma'niik, verkündete.
    Aber auch die Schamanen verloren ihren Einfluss im kleinlichen Di sput. Die einst so einflussreiche Kaste hatte sich in zwei Lager gespalten: die 'Lippenredner' – die Anhänger der Mächtigen, und die 'Lichtleser' – die Vertreter der reinen Wahrheit –, zu denen sein Freund Ma'niik gehörte. Ma'niik und die schrumpfende Zahl seiner Getreuen vertraten die Ansicht, dass die Weißhäutigen dereinst Vernichtung bringen würden. Die Bücher der Sechsten Sonne könnten für immer verloren sein. Die Lippenredner dagegen verkündeten vollmundig die Rückkehr der Lichtgötter und beschworen den König, den Göttern einen möglichst opulenten Empfang zu bereiten.
    Kabyum Kin fürchtete nicht alleine um das Leben seines letzten Ki ndes; er fürchtete um das Wissen seiner Väter, um den Geist vieler Generationen und schließlich um den Lauf der Sechsten Sonne. So hatte er beschlossen, sein Leben und seine Fähigkeiten darauf zu verwenden, die Traditionen, die er für wertvoll hielt, zu retten. Der unermessliche Schatz der Überlieferung sollte nicht der Eitelkeit, dem Überfluss oder dem Glauben an falsche Götter geopfert werden. Dafür war er zu kostbar.
    Kabyum Kin hatte eine Handvoll Verbündeter gefunden: Menschen, die enttäuscht waren wie er und retten wollten, was zu retten war. Menschen, die einen Neubeginn nicht länger nur herbeisehnen, so ndern tatkräftig dazu beitragen wollten. Sie hatten sich ihm angeschlossen. Ihr Ziel war ein Traum. Sie wollten sich ein SonnenLand ins Sein träumen. Und sein Freund, der FeuerEisMann, wollte ihnen dabei helfen. Das Ziel war sorgfältig gewählt und erstrebenswert zudem. Aber auf dem Weg dorthin lauerten unwägbare Gefahren.
    Kabyum Kin suchte den Pfad zu der Höhle, die Panxor, der Weihe-Priester, erst kür zlich mit seinen Opfergaben beglückt hatte, damit sie möglichst bald einstürzen und sich mit Regen- und Grundwasser füllen würde, um einen Brunnen –
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