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Die Maya-Midgard-Mission

Die Maya-Midgard-Mission

Titel: Die Maya-Midgard-Mission
Autoren: Bernd Sieberichs
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jeder Unterschlupf im Land war ihm bekannt. Die Leute erzählten sich, dass Caupolican den Dschungel lese, wie andere ein Buch, weil er einmal ein Jaguar gewesen sei. Der KriegerKaufmann nährte diesen Glauben, indem er sich mit dem Fell einer solchen erlegten Raubkatze schmückte, was sonst nur den Priester-Herrschern vorbehalten war. Aber selbst die trauten sich nicht, Caupolican zurechtzuweisen. Diese Tatsache wiederum stärkte seinen Ruf noch mehr. Und so konnte der KriegerKaufmann beinahe unbehelligt durch zumeist feindliches Gebiet reisen, mit Waren, Tand und Neuigkeiten handeln, wichtige Beziehungen knüpfen und fleißig an seiner eigenen Legende stricken. Es gab kaum eine Stadt, die zur Versorgung ihrer Bevölkerung nicht auf Leute wie Caupolican angewiesen war. Viele dieser Kriegerkaufleute bewegten sich so unangetastet durch Feindesland, dass sie das Kriegshandwerk vergessen oder verlernt hatten. Nicht so Caupolican: Der berühmteste der reisenden Krämer war auch ein vorzüglicher Kämpfer.
    Auch deshalb freute sich NebelGeist, dass ein solcher Mann ihnen helfen würde. "Seine Aufgabe war die gefährlichste, liebe Schwester", sagte der ehemalige Baumeister. "Er hat sich bereit erklärt, die Bücher zu stehlen, die unsere Vergangenheit und unsere Zukunft enthalten." Er verschwieg seiner Schwägerin, dass er es nicht übers Herz gebracht hatte, seinen Freund Ma'niik zu bestehlen. "Wie es scheint, war er erfolgreich." NebelGeist deutete mit dem Kopf in Richtung der alten, bereits verwitterten Stelen. "Da kommt er. Doch reden können wir später. Morgen Abend müssen wir die sacbé überquert haben. Der FeuerEismann wartet an der Mündung des Tabatabax, aber nicht länger als einen kin . Am besten, wir sind schon vor ihm dort."
    Cucul Patz Kin nickte, kniete sich zu Fe uerLichts Bahre nieder, strich ihrem Neffen aufmunternd über die heiße Stirn und berührte sie mit ihrem Skarabäus. "Wir tragen dich in die Sonne hinein, Sohn meines Bruders. Du wirst nicht sterben. Nicht hier, nicht jetzt, und auch nicht später. Du wirst der Führer eines neuen Volkes werden, eines Volkes auf Wanderschaft."
    Dann brachen sie auf. Ein knappes Hundert schweigender Menschen: bekleidet mit Lendenschurzen, Fellmänteln und Stirnbändern. Geführt von einem Baumeister, einem Hän dler und einer Häuptlingsfrau. Die Frauen trugen ihre Kleinsten in einem Tuch vor dem Bauch. Die Männer und die älteren Kinder beförderten in kleine Ledersäcke gehüllt die wenigen Habseligkeiten, die es wert waren, durch den Dschungel geschleppt zu werden: Maiskörner, Fladenbrote, Werkzeu-ge aus Knochen, Obsidian und – ebenso wertvoll wie selten – aus Metall, Tongefäße mit Wasser und natürlich die Saat.
    Caupolican barg in seinem Bündel ein Gut, das nicht sättigte, aber den Flüchtenden mindestens eben so kostbar war wie alle Samen und Keime: die Bücher der Sieben Sonn en – die Identität des Menschengeschlechts, die Geschichte aller Völker, die Buchstaben des Lebens, die Symbole allen Seins, das Erbe von Atzlan und Lemuria, und damit die Zukunft, die Hoffnung verhieß.
    " Aufbruch! Wir müssen fliehen!", rief der KriegerKaufmann schon von weitem. "Die Priester haben den Diebstahl bemerkt. Noch bevor die Sonne aufgeht, wird SchlangenVogel seine Bluthunde auf uns hetzen. Wenn der Dschungel uns nicht schleunigst verschluckt, werden die königlichen Bestien das erledigen. Hier geht es lang!"
    -
    "Herr!", sagte der atemlose Läufer, an dessen schmucklosen Hand- und Fußgelenken man den niederen Stand erkennen konnte. "Der Baumeister hat mit seinen Gefolgsleuten die Stadt verlassen. Wie lauten deine Befehle?"
    SchlangenVogel legte seinen schweren Kop fschmuck aus Gold und Jade an, ließ sich von einem anderen Sklaven in den kostbaren, leuchtend grünen Mantel aus Quetzalfedern hüllen und überlegte, wie er mit Hilfe der jüngsten Nachrichten seine Machtposition im Dreikönigsland stärken konnte. Die Prophezeiungen sagten, dass die Söhne des Baumeisters zurückkehren und das Land einen würden. Das persönliche Los des Priester-Königs SchlangenVogel sowie die Schicksale seiner königlichen Konkurrenten, Pakal von Cobá und Bolonte von Yaxuná, blieben davon nicht unberührt: nur einer würde die Wirren überleben. Wer das sein würde, darüber schwiegen die Weissagungen und die Weisen sich aus. SchlangenVogel musste also äußerst überlegt vorgehen, um sicherzustellen, dass er derjenige wäre...
    Die Prophezeiungen kannten keinen
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