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Die Maurin

Die Maurin

Titel: Die Maurin
Autoren: Lea Korte
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weiter und erntete lautstarke Zustimmung. Zahra kannte solche Versammlungen aus den Erzählungen ihres Vaters, der ihnen ebenfalls oft als Berater beiwohnte, und wusste, dass auch Qadis, der Großimam und Vertreter der mächtigsten Familien teilnahmen.
    Von den kunstvollen Bodenfliesen im Torbereich hallten harte Schritte wider. Gerade noch rechtzeitig verbarg sich Zahra hinter den Myrtenbüschen, als ein Wachsoldat aus dem Patio des Cuarto Dorado in den Hof trat. Sie beobachtete, wie er durch die Sala de la Barca, die eher ein weitläufiger, überdachter Gang denn ein Saal war, zum Thronsaal schritt.
    »Die kastilische Delegation ist eingetroffen«, rief er den Wachleuten vor dem Thronsaal zu. »Don Juan de Góngora und ein junger Mann namens Don Gonzalo de Córdoba y Aguilar.«
    Der ältere der beiden Wachleute des Thronsaals nickte. »Sag ihnen, der Emir erwartet sie in seiner Güte.«
    Während der Soldat mit den beiden Kastiliern näher kam, arbeitete sich Zahra lautlos im Hockgang bis zum Ende der Hecke vor, um besser sehen zu können. Don Juan de Góngora war von mächtiger Gestalt; den weiten, roten Umhang aus edlem Tuch hatte er geckenhaft über der rechten Schulter zurückgeschlagen. Sein um einiges jüngerer, aber nicht weniger stattlicher Begleiter hielt sich, wie es ihm gebührte, einen Schritt hinter ihm und nickte den beiden Wachleuten freundlich zu, was diese geflissentlich ignorierten. Mit einer knappen Handbewegung hießen sie die Kastilier eintreten. Trotz der vorherigen Unmutsbekundungen wurden sie im Saal mit dem gebotenen höfischen Gepränge begrüßt.
    Don Juan de Góngora ergriff das Wort. »Wir grüßen Euch, hochgeschätzter Emir, und sollen Euch auch die Grüße der Majestäten von Kastilien und Aragón ausrichten und Euch versichern, dass sie Euch tiefe und aufrichtige Freundschaft entgegenbringen!«
    »Allerdings wird man über die Art und Weise, wie sie ihre Freundschaft kundtun, streiten können«, warf Emir Hassan knurrend ein.
    Ohne auf die Zwischenbemerkung einzugehen, fuhr Don Juan de Góngora mit blasierter Stimme fort: »Des Weiteren haben mich die christlichen Könige gebeten, Euch auszurichten, dass sie wie in der Vergangenheit auch in Zukunft fest auf Eure Loyalität vertrauen und hoffen, dass die bewährte Tradition der Tributzahlung weiterhin dem Erhalt des Friedens unserer beiden Reiche dient!«
    »Auch von Frieden kann wohl immer weniger die Rede sein«, gab der Emir mit noch größerer Gereiztheit in der Stimme zurück. »Und deswegen, geschätzter Don Juan, habe auch ich eine Nachricht für Eure Könige: Richtet ihnen aus, dass die Emire von Granada, die der kastilischen Krone früher einmal Geld zu zahlen pflegten, bedauerlicherweise ebenso verstorben sind wie der kastilische König, der unser Land in Frieden hat leben und gedeihen lassen. Die einzigen Münzen, die wir nach den Vorfällen der letzten Monate anzubieten haben, sind Säbelklingen und Lanzenspitzen!«
    Vor Schreck fiel Zahra der Myrtenstrauß aus der Hand.
O mein Gott, Yazid, ist es das, wozu du und dein geheimnisvoller Freund Hassan hattet treiben wollen? Aber die alljährlichen Tributzahlungen sind doch Teil der Friedensvereinbarungen mit den Christen! Und wenn es jetzt Krieg gibt? Vater meint doch schon seit Wochen, dass diese ständigen Angriffe der Christen nur darauf abzielen, uns aus der Reserve zu locken, und dass es nur noch eines Funken bedarf, um die Spannungen zwischen unseren Ländern zum Eskalieren zu bringen!
    »Wir werden unseren Königen Eure Botschaft wortgetreu auszurichten wissen«, erwiderte Don Juan und klang in der Tat so wenig verärgert, ja geradezu erfreut, wie Zahra befürchtet hatte.
    Wenige Atemzüge später verließen die kastilischen Gesandten den Thronsaal, begleitet von Zahras hochgewachsenem Halbbruder Yazid, der den Wachmännern mit einer knappen Geste und zwei auf Arabisch gebellten Worten klarmachte, dass er die kastilischen Abgesandten persönlich aus dem Palast geleiten würde.
    Während Yazid noch einmal kurz in den Thronsaal zurückging, zischte Don Juan seinem jungen Begleiter lächelnd zu: »Hätte für uns doch gar nicht besser laufen können …«
    Zahra sah, dass Don Gonzalo das Lächeln seines Landsmanns nicht erwiderte, sondern die Stirn in sorgenvolle Falten zog. Sie fand dies sympathisch. Anders als ihr Halbbruder hasste sie die Kastilier nicht, stammte ihre Mutter Leonor doch selbst daher. Bei einem der Beutezüge von Hassans Vater war sie als junges
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