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Die Masken der Liebe

Die Masken der Liebe

Titel: Die Masken der Liebe
Autoren: Heinz G. Konsalik
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romanischen Kirche und war eines der schönsten und größten des Dorfes Marktstett. Eine breite Steintreppe führte hinauf zur Eingangstür. Ein großer, mit Schnitzereien verzierter Balkon lief an der Vorderseite des stattlichen Gebäudes entlang.
    Hinter diesem Balkon lag das Schlafzimmer des Bürgermeisters.
    Bürgermeister und ähnliche Würdenträger haben einen leisen Schlaf. Das mag vielleicht daher kommen, daß die Sorge um das Amt sie wach hält, es kann aber auch sein, daß sie zeit ihres Lebens ein gewisses Schuldgefühl nicht loswerden. Wer im Brennpunkt der Öffentlichkeit steht, ist in den Augen der angeblich Übergangenen stets schuldig.
    So wachte auch der Bürgermeister von Marktstett mit einer lobenswerten Schnelligkeit auf, als Josef Behrens mit seiner Diensttaschenlampe zum Schlafzimmerfenster des Dorfvorstehers hinaufleuchtete und dessen Namen rief. Das Fenster ging auf, ein verschlafener Mann beugte sich weit heraus und vernahm mit Erstaunen, daß ein Mädchen von 24 Jahren abgängig war und gewisse Spuren nach Marktstett führten. Daß die Abgängige zudem noch eine Lehrerin war, also eine Beamtin, verschärfte den Tatbestand ungemein und weitete ihn aus zu einem alarmierenden Fall.
    »Herbert Sanke?« grübelte der Bürgermeister am Fenster. »Herbert Sanke kenne ich keinen. Ich kenne nur einen Paul Sanke …«
    »Den suchen wir!« rief Heinz Konradi.
    »Den?« Die Stimme des Bürgermeisters wurde abwehrend. »Machen Sie sich nicht lächerlich! Dieser Mann entführt keine Mädchen! Mit dem spiele ich Skat!«
    »Es dreht sich ja um seinen Sohn. Den hoffen wir über ihn zu finden.«
    »Soll das dieser Herbert Sanke sein?«
    »Ja.«
    Der Bürgermeister verstummte. Zweifel nagten an ihm, denen er schließlich Ausdruck verlieh, indem er sagte: »Das glaube ich nicht.«
    »Was glauben Sie nicht?«
    »Daß Paul Sanke einen Verbrecher in die Welt gesetzt hat.«
    »Das wird sich ja herausstellen, ob ja oder nein. Sagen Sie uns nur, wo wir ihn finden.«
    Es blieb wieder ein Weilchen still, bis sich der Bürgermeister entschied und sagte: »Also gut, fragen Sie ihn. Er ist Verwalter auf dem Mierbach-Gut. Wachtmeister Behrens wird Sie hinführen. Es ist nicht weit.«
    Elisabeth und Heinz Konradi atmeten auf. Es freute sich aber auch Josef Behrens. Er sah, daß er für Marktstett unentbehrlich war.
    »Auf denn zur letzten Station unseres Leidensweges«, sagte Heinz Konradi und faßte seine Frau unter. »Nun werden wir ja sehen …«
    Und Elisabeth Konradi klammerte sich anlehnungsbedürftig an ihren Mann.
    Das Mierbach-Gut gehörte zu den großen Anwesen Marktstetts. Vorn, zur Straße hin, lag in einem breiten Vorgarten das Herrenhaus; ihm schlossen sich rückwärts das Gesindehaus, die Ställe und die Scheunen mit den Geräteschuppen an. Das Gut machte einen gepflegten, sauberen Eindruck. Eine energische, zielbewußte und arbeitsame Hand führte hier das Kommando, das sah man.
    Josef Behrens war sich nicht ganz im klaren, wie er aus dem schlafenden Haus den Verwalter Paul Sanke herausholen sollte. Schließlich ist es das Recht eines unbescholtenen und steuerzahlenden Bürgers, seine Nachtruhe ungestört zu genießen. Ein Mann, der mit dem Bürgermeister Skat spielt, ist mit Vorsicht zu genießen, dachte der Wachtmeister.
    Doch ihm wurde rasch die Entscheidung abgenommen. Heinz Konradi hatte kühn die erstbeste Klingel gedrückt und hielt den Daumen eine Zeitlang darauf. Schrill gellte es durch das ganze schlafende Haus.
    Auch hier wurde nach einiger Zeit ein Fenster geöffnet und eine junge Frau, das Nachthemd über dem üppigen Busen zusammenraffend, fragte verschlafen, was man wolle.
    »Wir möchten Herrn Sanke sprechen!« rief Behrens in dienstlichem Ton hinauf. »Polizei!«
    »Polizei? O Gott!«
    Das Fenster klappte zu. Rasche Schritte entfernten sich ins Innere des Hauses.
    Die Spannung war aufs äußerste gestiegen. Elisabeth hing am Arm ihres Mannes, ihr Puls klopfte ihr im Hals. Vergessen waren die brennenden Fußsohlen und die stechenden Blasen an den Hacken. Jetzt … jetzt mußte es sich herausstellen, jetzt fiel die Entscheidung.
    Elisabeth schloß die Augen.
    Wie lange braucht der Kerl denn, dachte sie, wie lange sollen wir denn hier noch stehen?
    Durch den Flur des Hauses tappten schwere Schritte. Ein Schlüssel drehte sich im Schloß, die Tür wurde aufgezogen, und im Licht der Flurlampe stand – Herbert Sanke.
    Doch nein! Dieser Mann war kleiner, zierlicher, älter … aber sonst wie ein
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