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Die Mars-Chroniken

Die Mars-Chroniken

Titel: Die Mars-Chroniken
Autoren: Ray Bradbury
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hatte er sogar schwarzes Haar, wie?«
    »Woher weißt du das?« fragte sie überrascht.
    »Ich habe nur die unwahrscheinlichste Farbe genannt«, erwiderte er unbewegt.
    »Es war tatsächlich schwarz!« rief sie. »Und er hatte eine sehr weiße Haut; er sah ganz ungewöhnlich aus! Er trug eine seltsame Uniform, und er kam vom Himmel herab und hat sich freundlich mit mir unterhalten.« Sie lächelte.
    »Vom Himmel? – Was für ein Unsinn!«
    »Er kam in einem Ding aus Metall, das in der Sonne glitzerte«, erinnerte sie sich. Sie schloß die Augen, um das Bild wieder heraufzubeschwören. »Im Traum sah ich den Himmel, und da blitzte etwas auf wie eine Münze, die man in die Luft geworfen hat, und plötzlich wurde es größer, schwebte lautlos herab und landete, ein langes silbernes Gebilde, rund und fremd. An seiner Flanke öffnete sich eine Tür, und der große Mann trat heraus.«
    »Wenn du mehr arbeiten würdest, hättest du keine so albernen Träume«, warf er ein.
    »Mir hat der Traum Spaß gemacht«, erwiderte sie und lehnte sich zurück. »Ich wußte nicht, daß ich soviel Fantasie habe. Schwarzes Haar, blaue Augen und weiße Haut! Was für ein seltsamer Mann, und doch… Er sah gut aus.«
    »Wunschdenken.«
    »Jetzt bist du ungerecht. Ich habe ihn mir nicht absichtlich ausgedacht; er ist mir nur so in den Sinn gekommen. Es war gar nicht wie sonst beim Träumen – sondern ganz unerwartet und irgendwie anders. Er schaute mich an und sagte: ›Ich bin Nathaniel York…‹.«
    »Ein blödsinniger Name; überhaupt kein Name«, warf er ein.
    »Natürlich ist es kein sinnvoller Name, es ist doch auch nur ein Traum«, versuchte sie zu erklären. »Und er sagte: ›Wir haben die erste Reise durch das All unternommen. Wir sind nur zu zweit in unserem Schiff, ich und mein Freund Bert‹.«
    »Noch so ein blödsinniger Name.«
    »Und er sagte: ›Wir kommen aus einer Stadt auf der Erde; das ist der Name unseres Planeten‹«, fuhr Frau K unbeirrt fort. »Ja, das hat er gesagt: Erde. Das war der Name. Und er sprach in einer unbekannten Sprache, aber irgendwie verstand ich ihn doch. Es muß wohl Telepathie gewesen sein.«
    Herr K wandte sich ab, doch mit einem Wort hielt sie ihn zurück. »Yll?« rief sie leise. »Fragst du dich nicht auch manchmal, ob… nun, ob es Lebewesen auf dem dritten Planeten gibt?«
    »Der dritte Planet kann kein Leben tragen«, erwiderte ihr Mann geduldig. »Unsere Wissenschaftler haben festgestellt, daß die Atmosphäre des dritten Planeten viel zuviel Sauerstoff enthält.«
    »Aber wäre es nicht faszinierend, wenn es dort wirklich Leute gäbe? Und wenn sie in einer Art Schiff durch das All reisten?«
    »Ylla! Du weißt, wie ich diese Gefühlsduseleien hasse. Gehen wir lieber wieder an die Arbeit.«
     
    Es war spät am Nachmittag, als sie auf ihren Wanderungen zwischen den Säulen das Lied zu singen begann. Immer wieder begann sie die Melodie.
    »Was ist das für ein Lied?« fragte ihr Mann, als er sich zu ihr an den Feuertisch setzte.
    »Ich weiß es nicht.« Sie blickte auf, erstaunt über sich selbst.
    Sie hob überrascht die Hand an den Mund. Die Sonne ging unter. Mit dem hereinbrechenden Abend begann sich das Haus wie eine riesige Blume auf die Nacht vorzubereiten. Ein Windhauch sprang zwischen den Pfeilern auf, der Feuertisch ließ seine silbrige Lava aufsprudeln. Der Wind spielte in Frau Ks rotbraunem Haar. Schweigend blickte sie über die weite Ebene des Seegrundes, als ob sie sich etwas ins Gedächtnis zurückrufen müsse; in ihren feuchten gelben Augen lag ein sanfter Ausdruck. »Trink mir nur mit den Augen zu, kein Wort brauchst du zu sagen«, sang sie leise. »Laß’ mir einen Kuß am Glas, nach Wein werd’ ich nicht fragen…« Sie summte die Melodie und bewegte mit geschlossenen Augen ihre Hände kaum merklich im Wind. Schließlich war das Lied zu Ende.
    Es war sehr schön.
    »Noch nie gehört, dieses Lied. Hast du es dir selbst ausgedacht?« fragte er mit zusammengekniffenen Augen.
    »Nein. Ja. Nein, ich weiß es nicht, wirklich!« Sie stockte. »Ich kenne nicht einmal die Worte; sie stammen aus einer anderen Sprache!«
    »Aus was für einer Sprache?«
    Geistesabwesend ließ sie Fleischstücke in die brodelnde Lava fallen. »Ich weiß es nicht.« Nach kurzer Zeit zog sie das Fleisch gar wieder heraus, legte es auf einen Teller und stellte es vor ihn hin. »Ist wohl’ nur etwas Verrücktes, das ich mir da ausgedacht habe. Weiß auch nicht, warum.«
    Er schwieg. Er beobachtete,
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