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Die Manon Lescaut von Turdej (German Edition)

Die Manon Lescaut von Turdej (German Edition)

Titel: Die Manon Lescaut von Turdej (German Edition)
Autoren: Wsewolod Petrow
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Aleksejewna an mich.
    »Wissen Sie, ich bin kein großer Liebhaber der Kinematographie«, sagte ich.
    Aslamasjan erklärte sich galant bereit, die Ärztinnen zu begleiten.
    Die Gesellschaft war aufgebrochen. Im Waggon blieben nur Vera und ich, und die Hauptmännin und ihre Lariska schliefen in der Dunkelheit.
    »Kommen Sie zu mir«, sagte Vera.
    Sie lag ganz am Rande der Pritsche. Ich setzte mich neben sie.
    »Lieben Sie mich etwa wirklich?« sagte Vera.
    Ich umarmte sie; sie erhob sich und drückte sich an mich. Ich küßte sie, und sie antwortete mir unerwartet kräftig und zärtlich.
    »Lieben Sie mich denn schon ein bißchen, Verotschka?« fragte ich.
    »Ich weiß es jetzt noch nicht. Aber ich fühle schon, daß ich Sie lieben werde«, sagte mir Vera.
X. Auf der Pritsche liegend, hatte ich mir die Liebe zu dieser sowjetischen Manon Lescaut ausgedacht.
    Ich hatte Angst davor, mir zu sagen, daß es nicht so war, daß ich mir nichts ausgedacht hatte, sondern tatsächlich alles vergessen und mich selbst verloren hatte und nur davon lebte, daß ich Vera liebte.
    Ich legte mich so auf die Pritsche, daß ich gleich den ganzen Waggon sehen konnte. Wo Vera auch auftauchte, ich konnte sie sehen. Wie ein Somnambuler drehte ich mich zu der Seite, wo sie war. Ich war nicht imstande, sie nicht anzusehen.
    Vera tauchte mit einer besonderen Frisur unter der Pritsche auf, die sie erst jetzt eingeführt hatte: Die Haare waren rechts und links in Locken hochgeschlagen; das Gesicht wurde dadurch schmaler und strenger. Die Frisur verlieh ihr eine rätselhafte Ähnlichkeit mit den Fabelwesen, die die Damen des achtzehnten Jahrhunderts gewesen waren. Die Lippen waren seit dem Morgen deutlich nachgezogen. Vera bewegte sich durch den Waggon, und ich lag auf der Pritsche und drehte mich hinterher.
    »Ich bin wie auf einer Bühne«, sagte mir Vera.
    Jetzt lief sie fast gar nicht mehr weg. Die Mädchen gingen ohne sie ins Kino und zu den Tanzveranstaltungen.
    Ich stieg allein aus dem Waggon und wartete beim nächsten Übergang auf sie. Wir gingen durch die Labyrinthe inmitten der Waggons. Sie erstreckten sich überallhin und tanzten mir vor den Augen. Vera fand immer auf Anhieb den Weg. Sie führte mich. Wenn wir allein waren, konnte ich die Lippen nicht von ihr lassen. Sie drehte sachte das Gesicht zu mir. Ich wartete, bis sie sich ganz zu mir gedreht hatte und mich schnell und stürmisch küßte.
    Wir kehrten einzeln zurück. Beim letzten Übergang verabschiedete ich mich von ihr. Vera ging in den Waggon, und ich kam später dorthin, allein, und stieg auf die Pritsche, um sie wieder anzusehen.
    »Im Hause Oblonskij war alles durcheinander«, sagte mir Nina Aleksejewna, als ich auf die Pritsche gestiegen war, den Kopf recht hoch abgelegt und den Tornister zur Seite geschoben hatte, der mir die Sicht auf Vera verstellte.
    »Was wollen Sie damit sagen?« fragte ich in offiziellem Ton.
    »Eben das, was Sie selber wissen. Als wir ins Kino gingen, blieb Galopowa im Waggon und sah, wie Sie Vera küßten.«
    »Sie haben ihr doch nicht etwa geglaubt?« fragte ich entrüstet.
    »Ich habe ihr gesagt, daß ich es nicht glaube. Aber wenn Sie nur wüßten, was für Abscheulichkeiten man über Sie im Waggon erzählt! Galopowa sagt, daß Sie die kleine Lariska heruntergestoßen hätten und die geschrien hätte: ›Rühren Sie Verotschka nicht an!‹ – aber Sie hätten nichts hören wollen und hätten überallhin gedrängt mit Ihren Küssen.«
    »Und Sie glauben das alles!«
    »Und Levit hat gesagt, daß Sie in unserem Waggon die Unzucht losgelassen haben und daß Sie nachts beim Ofen weiß der Teufel was mit Vera machen. Und sogar Aslamasjan – Sie wissen doch, wie sehr er Ihnen zugetan ist –, sogar der sagt, daß er das nicht von Ihnen erwartet habe.«
    »Ich hoffe doch«, sagte ich, »daß Sie all diesen Geschmacklosigkeiten keinen Glauben schenken werden. Ich war immer der Ansicht, daß in solchen Fällen Offenheit überhaupt nicht am Platze ist. Aber wenn wir nun einmal dermaßen aufeinandersitzen, daß man nichts verbergen kann, dann ziehe ich es vor, daß Sie alles nicht von Galopowa, sondern von mir selbst erfahren.«
    »Ich ziehe das auch vor«, sagte Nina Aleksejewna.
    »Sie denken doch nicht etwa, daß ich verliebt bin? Ähnele ich etwa einem Verliebten?« fragte ich und drehte mich um, weil Vera auf die andere Seite des Waggons gegangen war.
    »Meiner Meinung nach ähneln Sie sehr einem Verliebten«, sagte Nina Aleksejewna.
    »Und dabei
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