Die Manon Lescaut von Turdej (German Edition)

Kulturorganen) an Punin, mußte auch Petrow das Museum verlassen. Im Unterschied zu Punin wurde er nicht ins Lager geschickt, nicht einmal verhaftet. Er mußte nun Möglichkeiten suchen, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, und wurde zum freien Autor. Er verfaßte Biographien der russischen Maler (teilweise zusammen mit Gennadij Gor, einem Schriftsteller und Sammler der naiven und avantgardistischen Malerei, den er schon aus den 30ern kannte), dann kamen Artikel in der vielbändigen
Geschichte der russischen Kunst
dazu, später Monographien usw. Man kann wohl sagen, daß Wsewolod Petrow in der Sowjetkultur, die er zweifellos verachtete, eine »Nische« fand und nutzte.
    In den 60er Jahren wurde er von offizieller Seite und auch von der kulturellen Elite hoch geschätzt, ebenso von den jungen inoffiziellen Lyrikern Leningrads, die sich um ihn scharten, wie junge Lyriker und Prosaisten in den 30er Jahren sich um Michail Kusmin geschart hatten, um die »Übergabe der Kultur«, eine verborgene Fortsetzung der russischen Moderne, zu gewährleisten. Unter diesen jungen Lyrikern war beispielsweise auch ein so unbestritten großer wie Aleksander Mironow (1948–2010).
    Wir kennen von Petrow nur wenige Texte, die wir zur »schöngeistigen Literatur« zählen dürfen. Abgesehen von ein paar philosophischen Miniaturen und sehr schön geschriebenen Erinnerungen an Kusmin, Anna Achmatowa, Daniil Charms, gehört allein unsere Erzählung dazu. Dafür ist sie einer der schönsten Prosatexte der russischen Literatur des 20. Jahrhunderts. Petrows tragische Novelle ist so leicht und so virtuos erzählt, daß sie nicht als schwere Kriegserzählung im Gedächtnis bleibt, sondern als eine wunderbar traurige und schöne Liebesgeschichte. Dabei bleibt die Welt in
Die Manon Lescaut von Turdej
die komplexe und tragische Welt des 20. Jahrhunderts.

    Oleg Jurjew
, Frankfurt am Main, im Mai 2012