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Die Manon Lescaut von Turdej (German Edition)

Die Manon Lescaut von Turdej (German Edition)

Titel: Die Manon Lescaut von Turdej (German Edition)
Autoren: Wsewolod Petrow
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(Lichtlein).

    Olga Martynova

Nachwort von Oleg Jurjew
Kriegsidylle und Liebesutopie
    Die Manon Lescaut von Turdej
    (über Wsewolod Petrows Erzählung
    und nicht allein über sie)
    1. Zwei Texte
    Um diese hinreißende und bittere Liebesgeschichte, die vor dem Hintergrund einer bewußt verallgemeinerten, fast bis zur Unkenntlichkeit reduzierten Kriegslandschaft spielt, mit Vergnügen und Mitgefühl zu lesen, braucht man so gut wie keine Vorkenntnisse in der Geschichte der russischen und der Weltliteratur. [1] So möge der Leser, der diese zauberhaften Seiten gerade hinter sich hat und keine »Entzauberung« will, an dieser Stelle an den Anfang der Novelle zurückkehren und sie noch einmal lesen. Das würde mich freuen. Oder er möge das Buch zuklappen und spazierengehen, die heiteren jungen Frauen von heute an sich vorüberstöckeln lassen, sie mit Melancholie und Verständnis betrachten: Jede von ihnen kann das Schicksal der Vera Muschnikowa ereilen, der Manon Lescaut von Turdej. Dafür muß frau nur in die Liebe verliebt und bereit sein, alles, auch sich selbst, dafür zu opfern. Und solche Frauen, Carmens und Manons, sind auch heute nicht selten anzutreffen.
    Der Leser, der mehr will, kann gerne bleiben, hier auf den Seiten dieses Nachworts: Ich werde versuchen, einige Hintergründe und Zusammenhänge zu klären, um zum Verständnis nicht nur der
Manon
und deren Autors, sondern auch der russischen Kultur und Literatur des 20. Jahrhunderts beizutragen.

    Anno Domini 1946, im ersten Nachkriegsjahr also, in der Atmosphäre des »kleinen Nachkriegstauwetters 1945–1946«, das bekanntlich durch den bereits am 14. August 1946 verabschiedeten Beschluß des ZK der KPdSU (B)
Über die Zeitschriften »Swesda« und »Leningrad«
[2] abrupt beendet wurde, wurden zwei Prosastücke fertiggestellt, in denen ein militärischer Lazarettzug sowohl Schauplatz als auch in gewisser Weise der aktiv am Geschehen teilnehmende Held war.
    Das erste Werk verfaßte die nicht ganz junge, aber kaum bekannte Journalistin und Bühnenautorin Wera Panowa (1905–1973):
Weggefährten
(oder 
Weggenossen
in der Übersetzung von 1947, Verlag Tägliche Rundschau, Berlin) wurde zu dem Erfolg dieses Jahres (neben Wiktor Nekrassows
In Schützengräbern Stalingrads
), bekam den Stalinpreis der 1. Kategorie und begründete Panowas Ruhm und Stellung in der offiziellen Schriftstellerhierarchie. Nicht ganz unverdient:
Weggefährten
gehört zweifelsohne zu den besseren Texten der Sowjetliteratur der 40er bis 50er Jahre – sauber geschrieben, nicht übermäßig mit Propagandasprüchen verseucht, mit Figuren ausgestattet, die beinahe lebensnah aussahen (bis zu gewissen Grenzen, die allen sowjetischen Lesern bekannt waren).
    Den zweiten Spitalzugtext schrieb ein gerade aus der Armee entlassener vierunddreißigjähriger Offizier, der zu seiner Arbeitsstelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Russischen Museums [3] in Leningrad zurückgekehrt war und sich später als Kunstwissenschaftler und Autor vieler Bücher über die russische Kunst einen Namen machen sollte, [4] Wsewolod Petrow (1912–1978). Sein Text, eine kleine Novelle, die höchstwahrscheinlich von der Lektüre von Panowas
Weggefährten
angeregt wurde, blieb zu Lebzeiten des Autors unveröffentlicht. Auch nach seinem Tod mußte sie beinahe drei Jahrzehnte auf das Licht der Öffentlichkeit warten, obwohl der Autor sie nie verheimlicht hatte: Er las aus ihr seinen Gästen vor, z.B. an seinen Geburtstagen, er zeigte sie einigen Bekannten. Er versuchte nur nicht, sie zu veröffentlichen. Warum? Weil er das für sinnlos hielt? Aus Ekel vor den Barbaren in den damaligen Redaktionen? Aus der klaren Erkenntnis heraus, daß diese kleine Novelle Inhalte transportierte, die mit der Sowjetliteratur nicht kompatibel waren – stilistisch, philosophisch und auch politisch?
    Die Manon Lescaut von Turdej
ist einer der glänzendsten, wichtigsten und reichhaltigsten Texte der russischen Literatur des 20.Jahrhunderts, man könnte auch sagen, sie ist in gewissem Sinne ein, wenn nicht der Schlüssel zu einigen Geheimnissen der russischen Kulturgeschichte – ein Schlüssel, der genau sechzig Jahre lang in Wsewolod Petrows Schublade lag. Erst 2006 wurde er greifbar. Die Veröffentlichung in der Moskauer Zeitschrift Nowyj mir (Heft 11, 2006) wurde eine kleine Sensation. Wahrscheinlich war es an der Zeit.
    Jetzt liegt
Die Manon Lescaut von Turdej
dem deutschen Leser vor – die erste Übersetzung dieser wunderbaren
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