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Die Manon Lescaut von Turdej (German Edition)

Die Manon Lescaut von Turdej (German Edition)

Titel: Die Manon Lescaut von Turdej (German Edition)
Autoren: Wsewolod Petrow
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getroffen«, sagte ich und wollte gehen.
    »Nein«, sagte Vera stur.
    Ich schwieg.
    »Ich kann es Ihnen jetzt nur nicht erklären, es gibt Gründe. Aber später werde ich es Ihnen vielleicht erklären«, sagte Vera.
    Mir wurde klar, daß Vera mich für einen Idioten hielt. Deswegen war sie so selbstsicher dabei, mich zu belügen. Vielleicht sollte ich ihr einfach mal glauben? Aber ich wollte, aus dem geschmacklosesten Egoismus heraus, zeigen, daß ich nicht so blöd war. Nein, ich wollte ihr nicht glauben, weil das für mich viel zu ernst war. Ich dachte, daß ich sie wirklich liebte.
    »Ich befrage Sie doch über nichts«, sagte ich.
    Vera blickte zu Boden.
    »Verotschka«, sagte ich, »alles bleibt, wie es war. Ich halte Sie weiterhin für ein außergewöhnliches Mädchen. Ich werde Sie phantastisch leiden können. Wir werden befreundet sein, wenn Sie wollen. Aber wir werden nicht mehr über Liebe sprechen, denn einen Wettstreit zwischen mir und Rosaj kann es nicht geben.«
    »Ist das Ihr letztes Wort?« fragte Vera.
    »Aber natürlich, Verotschka«, sagte ich und zog von dannen.
    Wir kehrten wieder, wie nach einem Rendezvous, getrennt in den Waggon zurück. Vera fiel es schwer, die Fassung zu behalten: Im Waggon stellte sich zwischen uns ein Ton ein, als sei nichts geschehen; ich war freundlich, doch kühl zu ihr, und sie fügte sich diesem Ton; aber gleichzeitig fühlte sie etwas Unabgeschlossenes in unserer Aussprache. Wenn ich Vera ansah, machte sie ein gequältes Gesicht; und sie muß sich wirklich gequält haben. Ich zog mich auf die Pritsche zurück, auch Vera versteckte sich auf ihr Bett. Etwas stach mich von unten ins Bein, als ob ein Strohhalm oder eine Haarnadel durch die Bretter geschlüpft wäre. Ich stand auf, um den Strohhalm abzuschütteln, und währenddessen steckte mir Vera geschickt einen Brief zu.
    Ich konnte ihn nicht an Ort und Stelle lesen, vor den Augen des ganzen Waggons. Ich griff meinen Uniformmantel und ging hinaus; vielleicht tat ich das etwas zu schnell. Ich stand bei einem fremden Waggon, der Lokomotive benachbart, und las:
    »Verzeihen Sie!!! Verzeihen Sie mir. Ich bin eine schlechte, widerliche, nein, schlimmer – abstoßende dumme Göre. Ich rechtfertige mich nicht vor Ihnen. Ich kann nicht ruhig schreiben, ich kann meine Gedanken nicht in ein Ganzes bündeln. Dabei will ich Ihnen alles über mich erzählen. Alles. Alles! Sie würden verstehen, was zu vergeben ich Sie bitte. Sie und Ihr Herz. Denn ich weiß doch, daß es schmerzt.
    Ich habe etwas schrecklich Falsches getan. Aber glauben Sie mir, mein Gewissen hat mich die ganze Zeit gequält. Das Herz hat geschmerzt: Wie muß es ihm jetzt gehen! Und auch bei mir ist es nicht besser.
    So gerne würde ich meinen klugen, guten Freund küssen. Und unter Tränen bitten, mir das zu verzeihen.
    Wie sehr ich mich jetzt hasse!
    Sie müssen Ihre Entscheidung nicht ändern. Aber mein Herz bittet Sie, mich entweder ganz zu vergessen oder mir zu verzeihen. Das zu verzeihen, daß Sie sich in mich verliebt haben. Alles hätte anders sein können. Ich bin schuld. Und auch das, daß ich Ihnen so weh getan habe. Auch daran, daß viele keine Achtung vor mir haben, bin ich ja ebenfalls selber schuld.
    Verstehen Sie mich, und vergeben Sie mir. Aber denken Sie besser nicht an mich. Vielleicht wird alles von selbst vorbeigehen. Ich aber werde beten. Ihre V.«
    Ich war von diesem Brief so gefangen, daß ich Vera nicht sah, die die ganze Zeit neben mir stand. Ich gab mir Mühe, ein gleichgültiges Gesicht zu machen, aber es kam irgendeine Grimasse heraus. Ich sah Vera an.
    »Wenn Sie wüßten, was für ein Gesicht Sie hatten, als Sie lasen«, sagte Vera.
    »Ein ganz gewöhnliches, denke ich«, sagte ich.
    »Nein, ein gutes, ein gutes. Ich weiß jetzt, daß Sie nicht das sind, was Sie zu sein scheinen wollen«, sagte Vera.
    »Ich will nichts zu sein scheinen«, sagte ich, »Sie haben einen entzückenden Brief geschrieben. So entzückend wie Sie selbst. Aber ich kann Ihnen nichts antworten außer dem, was ich heute schon gesagt habe.«
    »Sie vergeben mir nicht«, sagte Vera.
    »Mein Gott, ich habe nichts zu vergeben. Sie haben mir gegenüber keine Schuld«, sagte ich und wollte zum Waggon.
    Vera rührte sich nicht vom Fleck. Ich entfernte mich einige Schritte und kehrte dann doch zurück.
    »Denken Sie nur nicht, Verotschka, daß ich Sie verachte oder dergleichen«, sagte ich, »Sie sind ein guter Mensch, ein sehr guter. Lassen Sie uns jetzt in den Waggon
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