Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau
Autoren: Wilken Constanze
Vom Netzwerk:
Stimme.
    Primaticcio musterte sie und lachte plötzlich laut auf. »Mein Gott! Ihr habt uns alle zum Narren gehalten!« Seine Miene verdüsterte sich. »Obwohl Euer Bruder mir Ärger gemacht hat. Aber das ist lange her. Ihr habt tatsächlich die Semele gemalt?« Er drehte sich zu dem ovalen Bild über dem Kamin und studierte es anerkennend. Die anderen folgten seinem Beispiel.
    Nicht alles, dachte Luisa. Ich musste gehen, bevor ich ihr Gesicht malen konnte. Verstohlen wischte sie sich eine Träne aus dem Auge. Nach ihrer überstürzten Abreise hatte Rosso das Fresko vollendet, und er hatte Jupiters Geliebten ihr Gesicht gegeben. Semele verkörpert die reine Liebe, hatte Rosso gesagt, und jetzt trug sie Luisas Züge. All die Jahre hatte sie an seinen Gefühlen gezweifelt. Neun lange Jahre, die sie in der Werkstatt ihrer Familie in Siena verbracht hatte. Sie hatte nicht erwartet, von Pietro und den anderen mit offenen Armen aufgenommen zu werden, und sich damit zufrieden gegeben, kleine Aufgaben in der Werkstatt ausführen zu dürfen. Der Schmerz über Armidos Verlust wog schwer, und Pietro spürte, dass sie nicht die ganze Wahrheit über die Geschehnisse in Frankreich sagte.
    Jeden Tag hielt sie nach einem Kurier Ausschau, doch es dauerte zwei Jahre, bis ein Brief von Meister Rosso kam. Darin stand nichts außer einem Satz: »Wenn du von meinem Tod hörst, denk an Empedokles.« Es hatte sie schwer getroffen, doch sie wusste, dass er seine Gründe für diese schwerwiegende Entscheidung gehabt haben musste. Und es hatte sie getröstet, dass sie mit Sicherheit der einzige Mensch
war, dem er sich anvertraut hatte, denn Selbstmord war eine Todsünde.
    »Luisa Paserini! Hört Ihr mich?« Primaticcio sah sie an.
    »Verzeihung. Ja, Meister?«
    Unwillkürlich lächelte er. »Bedauerlich, dass Ihr nur eine Frau seid. Ihr wart ein guter Stukkador und ein hervorragender Maler, wie ich zugeben muss. Ich werde Euch persönlich zu Ihrer Majestät bringen.« Die letzten Worte sagte er betont langsam und hielt dabei die Augen des Comte de Mallêt fest.
    »Sie ist eine Ketzerin!«, protestierte dieser.
    »Das ist nicht wahr!«, rief Luisa. »Ich bin eine gläubige Katholikin.«
    In diesem Moment erschienen die Wachen, und auf dem Hof erklang das Getrappel von Pferdehufen und Wagenrädern. Primaticcio reagierte schnell, packte Luisas Arm und zerrte sie aus dem Kabinett in die Galerie. »Das ist Katharina de Medici. Ich habe Rosso als Mensch nicht gemocht, aber im Namen der Kunst, geht!«
    Luisa rannte durch die dunkle Galerie auf den Ausgang zu, stieß die Tür auf und stürzte die Treppen hinunter und der Königin von Frankreich und ihrem Gefolge, das den Wagen entstieg, vor die Füße. Diener hielten zahlreiche Fackeln und erleuchteten den Hof. Luisa machte einen tiefen Hofknicks und wartete mit gesenktem Kopf, als sie kurz darauf Primaticcios Stimme hinter sich hörte: »Eure Majestät, bitte verzeiht diesen ungewöhnlichen Überfall, aber Signora Paserini hat ein persönliches Anliegen und bittet untertänigst um eine Audienz.«
    »Ich bin müde von der Reise. Morgen, Meister, morgen«, sagte Katharina und wollte mit ihren Hofdamen weitergehen, doch Luisa hob den Kopf und streckte ihr die Hand mit dem Ring hin, den ihr Katharina vor neun Jahren geschenkt hatte.

    »Majestät, bitte.«
    Im Licht der Fackeln leuchtete der Stein matt auf und zog Katharinas Aufmerksamkeit auf sich. Die zierliche Königin musterte Luisa mit dunklen intelligenten Augen und winkte ihr. »Gehen wir zum See. Ich möchte mir die Beine vertreten.«
    Wie auf Befehl formierten sich die königlichen Hofdamen zu einer geordneten Gruppe und warteten, dass die Königin sich in Begleitung Luisas in Bewegung setzte. Aus den Augenwinkeln sah Luisa den Comte de Mallêt und Diane de Poitiers auf der Treppe stehen, schweigend bezeugten sie der Königin ihre Ehrerbietung.
    Katharina trug ein prächtiges goldbesticktes Kleid, das ihre schlanke Figur betonte. Ihre Züge wirkten reifer und härter als damals, doch als sie Luisa ansah, lächelte sie.
    »Der Ring! Ich hatte ihn vergessen. Das ist wie viele Jahre her?«, wechselte die Königin ins Italienische.
    Luisa konnte kaum glauben, dass sie neben der Königin von Frankreich auf die Terrasse des Pavillon des Poêles zuging, als wären sie die vertrautesten Freundinnen. »Neun Jahre, Majestät.«
    »Helft mir, Signora, wann habe ich Euch diesen Ring gegeben? Oh!«, sie legte einen Finger an die Lippen. »Ich weiß es
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher