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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau
Autoren: Wilken Constanze
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der weiblichen Figur, die das Fresko rechts flankierte. Hier hatte alles angefangen. Zärtlich fuhr sie über die glatte Oberfläche der weiblichen Karyatide, deren weißer Stuck hell im Licht schimmerte.
    »Es tut mir so leid, Armido, aber ich werde ihn finden, das habe ich dir versprochen«, flüsterte sie und lehnte ihre Wange an den kühlen Stuck. Sich von den Erinnerungen losreißend, drehte sie sich um und betrachtete die Sammlung
antiker Büsten und Skulpturen, die in der Galerie aufgestellt worden war.
    Unter Franz I. war Meister Primaticcio auf der Suche nach seltenen Kunstobjekten der Antike häufig in Italien gewesen und hatte den Grundstein für die königliche Sammlung gelegt. Primaticcio, der Bologneser. Sie fuhr zusammen, als sie hörte, wie die Tür am anderen Ende der Galerie geöffnet wurde und sich Stimmen und Schritte näherten. Nein!, schrie alles in ihr. Ich gehe nicht fort, ohne es gesehen zu haben. Die Galerie war so lang, dass die schlechten Lichtverhältnisse und die Statuen es ihr ermöglichen würden, unbemerkt bis zur Mitte zu gelangen. Dort befanden sich die königlichen Kabinette. Eines davon musste sie sehen.
    Leise sprang sie von der Bank und huschte im Schutz der Büsten und antiken Figurengruppen weiter. Gleich hier musste der Durchgang sein. Mit einem Satz sprang sie hinter einer Hermesstatue hervor und direkt durch den Bogen in das Kabinett.
    »Heda!«, rief eine männliche Stimme von hinten. Eine Stimme, die ihr nicht unbekannt war.
    Atemlos kauerte sie in der Fensternische gegenüber dem Kamin. Die Kapuze ihres Umhangs war nach hinten gerutscht, und einige Strähnen ihres langen Haares hatten sich aus der aufgesteckten Frisur gelöst. Doch davon bemerkte sie nichts, denn sie starrte wie gebannt auf das Bild über dem Kamin.
    »He! Wer seid Ihr? Was tut Ihr hier?«, riss die Stimme sie aus ihren Träumereien.
    Sie sprang auf und vergaß vollkommen, wer sie war. »Meister Primaticcio, verzeiht, ich …« Aber da war es bereits zu spät.
    Meister Primaticcio sah sie verwundert an. Die Jahre waren nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Ein grauer Bart
und tiefe Furchen auf der Stirn ließen ihn grimmig aussehen. Er war nicht allein. Eine schlanke Frau, deren schwarzweißes Kleid nach spanischer Mode geschnitten war, war neben ihn getreten. Diane de Poitiers schien noch hochmütiger, und ihre Augen blickten noch kälter als damals. Diese Augen kannten keine Gnade, und wehe dem, der sich ihr in den Weg stellte. In Dianes Begleitung waren zwei junge Hofdamen und ein Mann, bei dessen Anblick die Frau am Fenster erschauerte.
    Jean de Mallêt lächelte charmant. Er war alt geworden, doch seiner Wirkung auf Frauen schien er sich noch immer gewiss. »Eine schöne Unbekannte. Was für eine entzückende Überraschung. Verratet Ihr uns Euren Namen, Madame?«
    Im Gegensatz zu Primaticcio, der sie verärgert musterte und noch zu überlegen schien, reichte Mallêt ihr seinen Arm. Zaghaft legte sie die Finger auf das Wams des verhassten Mannes und antwortete: »Montecatini, mein Name ist Leonora Montecatini.«
    »Ah, Meister Primaticcio, eine Landsmännin von Euch. Was bringt Euch in unser Land?«, flötete Mallêt, wurde jedoch rüde von Diane de Poitiers unterbrochen.
    »Lasst das, Mallêt. Zu Euch kommen wir gleich, Madame. Meister Primaticcio, Ihr wolltet uns etwas erläutern, bevor wir von dieser Person gestört wurden. Bitte.«
    Primaticcio räusperte sich. »Wie ich schon sagte, würde ich bei einem Umbau der Galerie dieses Kabinett abreißen lassen.« Verunsichert warf er wieder einen Blick auf die Unbekannte.
    »Und das Fresko?«, wandte Madame de Poitiers ein und zeigte mit spitzem Finger auf das farbenprächtige Bild über dem Kamin. »Meister Rosso wäre damit sicher nicht einverstanden.«
    Abreißen! Sie trat einen Schritt zurück, wo sie die Nische
und ein Fenster wusste. Ihr Kabinett! Sie blickte auf das Fresko und erstarrte. Wie hatte sie das nicht sofort erkennen können! Sie presste eine Hand an die Lippen und unterdrückte ein Schluchzen. Matteo hatte es angedeutet, doch niemand außer ihr würde je wissen, was die Semele wirklich verbarg, und da zog ein Lächeln über ihr Gesicht.
    »Was ist mit Euch?« Mallêt betrachtete sie nachdenklich.
    Madame de Poitiers sah ungeduldig auf das Bild. »Was stellt es überhaupt dar, Meister Primaticcio? Ich gestehe meine mangelnde Bildung.«
    »Semele und Jupiter«, flüsterte sie. Keiner der Anwesenden bemerkte es. Keiner sah es. Ihre Knie
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