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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau
Autoren: Wilken Constanze
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zitterten so stark, dass sie meinte, sie würden jeden Augenblick unter ihr einbrechen, doch sie zwang sich zur Selbstbeherrschung. Primaticcio sagte etwas, das sie nicht verstand. In ihren Ohren rauschte es, und sie wünschte sich nichts sehnlicher, als dass diese Leute endlich gingen und sie allein ließen.
    Doch sie gingen nicht. Meister Primaticcios Miene wurde immer düsterer, und Diane de Poitiers musterte sie mit gerunzelter Stirn. Am beunruhigendsten aber war der tückische Ausdruck auf dem Gesicht Jean de Mallêts, als er plötzlich leise sagte: »Euer Name und das Kleid haben mich verwirrt. Aber ich vergesse nie ein Gesicht.«
    Todesangst kroch kalt und langsam ihre Glieder hinauf. Es war genau wie damals. Nur gab es nun weder Rosso noch sonst jemanden, der ihr beistehen würde. Sie waren alle fort oder tot. Jemand rief nach der Wache. Sie straffte die Schultern und sah auf den Ring an ihrer Hand. Und doch gab es einen Menschen, auf dessen Hilfe sie hoffen durfte. Entschlossen hob sie den Kopf und sah Mallêt herausfordernd an.

I
    Die Stukkadorwerkstatt der Paserini in Siena
    1537
     
     
    D as Hämmern und Rufen der Steinmetze und Handwerker drang vom Hof weit bis auf die Via di Fontebranda. In der Werkstatt der Paserini herrschte Hochbetrieb, denn Andrea di Antonio Piccolomini hatte einen Großauftrag für seine Villa in Asciano erteilt.
    Ein Ochsenkarren ratterte über die Pflastersteine, deren Unregelmäßigkeit das mit Fässern und Kisten schwer beladene Gefährt bedenklich ins Schwanken brachte. Fluchend stemmte sich der Mann, den der muskulöse Oberkörper und ein mit Werkzeugen gespickter Ledergürtel als Steinmetzen auswiesen, gegen das Gefährt.
    »Brauchst du Hilfe?«
    Für einen Moment sah der Steinmetz auf. Ihm gegenüber stand ein Dominikanermönch, dessen ausgefranste Kutte über den nackten Knöcheln endete.
    »Nein, ich komme allein zurecht.« Der Steinmetz ging auf die andere Seite des Wagens, dessen Räder zwischen den Pflastersteinen feststeckten, und hob den Wagen unter großer Kraftanstrengung an.
    Es ging auf die Mittagszeit zu, und die Sonne brannte von einem wolkenlosen Julihimmel herab. Ein Schwein lief grunzend umher, und eine alte Frau saß auf einem Stuhl vor ihrem Hauseingang und pulte Bohnen. Der Dominikanermönch trollte sich seines Weges durch den Unrat der Straße.
Als die Alte ihn sah, bekreuzigte sie sich rasch und murmelte etwas.
    Der Steinmetz spuckte demonstrativ aus und murmelte: »Domini canes …« Hunde des Herrn wurden die Dominikaner genannt, weil jeder wusste, dass sie sich mit Überzeugung für die Durchsetzung der Inquisition einsetzten. Dann wischte sich der Steinmetz den Schweiß aus dem Gesicht und lächelte, als ein junger Mann aus dem Torbogen trat, der zur Stukkadorwerkstatt führte. Mit Kennermiene ließ der Junge den Sand aus einem der Fässer durch die Finger gleiten. »Guter Kalksand, Giuffredo.«
    »Dreieinhalb Jahre alt, nass gelöscht und eingesumpft, beste Qualität.« Der Steinmetz blinzelte.
    Guter Kalk war das Hauptarbeitsmaterial der Stukkadore, und die Herstellung war eine Wissenschaft für sich. Zuerst musste Kalkstein in speziellen Öfen gebrannt werden. Luisa, denn der Junge war niemand anderer als die in Männerkleidung arbeitende Luisa Paserini, hatte Giuffredo oft begleitet, um neuen Kalksand zu holen, und wusste um jeden Arbeitsschritt bei der Herstellung des kostbaren Materials. Der Kalkbrenner musste das Feuer eines Ofens vier Tage und Nächte in Gang halten und brauchte für eine Ladung Kalkstein eine doppelte Menge an Fichtenscheiten. Über Generationen wurde das Wissen um das komplizierte Brennverfahren innerhalb der Kalkbrennerfamilien weitergegeben. Der gebrannte Kalk oder Stückkalk wurde dann gelöscht. Für einfache Maurerarbeiten reichte das Trockenlöschen, bei dem nur so viel Wasser zugeführt wurde, dass der Kalk nass glänzte. Besser und bei den Stukkadoren beliebter war der eingesumpfte Kalk. Staunend hatte Luisa bei ihrem ersten Besuch in der Kalkbrennerei die flachen Erdmulden gesehen, die über einen Ablauf mit einer tieferen Grube, dem Sumpf, verbunden waren. In einem eineinhalb mal drei Meter
langen Kasten wurde dann der Kalk im Verhältnis eins zu zwei mit Wasser vermengt. Dabei begann das Wasser zu kochen, und man musste Sorge tragen, dass der Kalk nicht verbrannte. Luisa lernte, dass auch nicht zu wenig Kalk verwendet werden durfte, weil der Kalk sonst zu nass und ebenfalls unbrauchbar wurde.
    Luisa Paserini
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