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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau
Autoren: Wilken Constanze
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Ärger in Simonettas Stimme, die so kurz nach der Entbindung noch gereizter als gewöhnlich war. Die Ankunft Armidos würde eine willkommene Abwechslung sein. »Simonetta!«, rief sie nach oben. »Wir haben Besuch!«
    »Geht in die Küche. Ich bin gleich unten.«
    Über einen ausgetretenen Steinfußboden gelangten sie in Pietros ufficio , wie er den kleinen Raum mit dem Schreibtisch, einer Truhe und zwei großen Regalen nannte, in denen sich Papiere und Kassenbücher stapelten.
    Armido sah sich kurz um. »Es hat sich nichts verändert … Hast du immer noch niemanden, der sich um die Bücher kümmert?«
    »Eh, was ist da schon groß zu tun … Jetzt komm weiter. Das riecht nach Fleischeintopf.« Pietro schnupperte, stieß die gegenüberliegende Tür mit seinem Stock auf und humpelte vor ihnen durch ein Vorratslager in die Küche.
    Luisa band die schwere Lederschürze ab und hängte sie auf einen Haken neben dem Eingang. Über dem offenen Feuer hing ein Topf, in dem die Köchin Gulasch zubereitete. Giuseppa war seit zehn Jahren bei ihnen und kochte nicht nur für die Familie, sondern auch für die Lehrlinge und Gesellen, die mittags nicht nach Hause gingen. Sie war launisch, aber ihr Essen war köstlich. Selbst aus den einfachsten Zutaten machte sie etwas Schmackhaftes. Zwei Mägde und ein Küchenjunge gingen ihr zur Hand. Luisa sah, wie der Junge,
ein schmutziger kleiner Bengel, sich gerade eine Feige in den Mund stopfte. Die Köchin hatte es auch gesehen und gab dem Jungen eine so heftige Ohrfeige, dass seine Wange feuerrot anlief, er sich verschluckte und jammernd und hustend dastand wie ein Häufchen Elend. Erst jetzt bemerkte Giuseppa die Geschwister. »Oh, Signori, oh …!« Sie wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab und machte eine Art Knicks. »Bitte, nehmt Platz. Signor Armido, welche Ehre!«
    Luisa setzte sich mit ihren Brüdern an den großen Esstisch, der in der Mitte der Küche stand. Giuseppa rief eine der Mägde, und kurz darauf standen Becher, Schüsseln mit Oliven und Kapern und ein Laib Roggenbrot auf dem Tisch. Pietro goss Wein aus einem Tonkrug ein.
    Armido hob seinen Becher. »Zum Wohle! Und nun will ich euch sagen, warum ich nicht bleiben kann.« Er machte eine bedeutsame Pause und steckte sich eine Olive in den Mund.
    Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis er die Frucht gegessen und den Kern ausgespuckt hatte. Luisa starrte ihm gebannt auf die Lippen.
    »Man hat mich nach Fontainebleau gerufen. Maestro Primaticcio hat nach mir und einigen anderen Stukkadoren, mit denen er damals in Mantua gearbeitet hat, gesandt, ihm bei den Arbeiten im Schloss des Königs zu helfen.« Genüsslich nahm er sich eine weitere Olive und kostete das Staunen seiner Geschwister aus.
    »Frankreich …«, flüsterte Luisa ehrfürchtig.
    »Arbeitest du dann für Primaticcio oder für maestro Rosso?«, fragte Pietro.
    »Für Primaticcio, denke ich. Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Aber du hast recht – maestro Rosso ist der erste Künstler am Hof von Franz I.« Armido fuhr mit der Hand durch die Luft. »Ich weiß, was ich kann. Domenico del Barbiere ist auch dort, soviel ich weiß. Selbst der
ist Rosso unterstellt, und ich habe gehört, dass Luca Penni ebenfalls nach Fontainebleau kommt.«
    Luisa atmete tief ein. Luca Penni war ein Bruder von Giovan Francesco Penni, ein Schüler des viel gerühmten Raffael in Rom. Was für ein Glück für ihren Bruder, mit solchen Meistern arbeiten zu dürfen. Wie gern würde sie selbst wenigstens ein Mal nach Rom oder Venedig reisen, um die Werke Michelangelos oder Tizians zu sehen. Noch nicht einmal in Florenz war sie gewesen, um Sandro Botticellis wundervolles »Primavera« oder die »Venus« zu sehen, geschweige denn Werke von Bronzino oder Pontormo. Und gar Rosso! Sie war vierzehn Jahre alt gewesen, als Armido sie mit nach Volterra genommen hatte. Nie würde sie vergessen, wie sie die Kapelle der Compagnia della Croce di Giorno in San Francesco betreten hatte. Ihr Bruder hatte ihr von diesem exzentrischen Maler erzählt, der die Kreuzabnahme auf eine vollkommen neue Art dargestellt hatte. Aber was sie erwartete, übertraf alle ihre Vorstellungen. Diese leuchtenden Farben! Diese wunderbaren Figuren, die sich in dramatischer Weise, fast wie in einer griechischen Tragödie, voller Schmerz wanden und den Körper Christi hielten. Die Frauen, deren schöne Gewänder nicht ablenkten von ihrem Schmerz, sondern deren Bewegungen sich einfügten in die Komposition und
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