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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau
Autoren: Wilken Constanze
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vergessen?«
    1527 war als das dunkelste Jahr in die Geschichte der Stadt am Tiber eingegangen, denn im Mai hatten die Truppen Karls V. Rom mit unvorstellbarer Grausamkeit erstürmt, geplündert und niedergebrannt. Noch immer waren nicht alle Gebäude aus den Trümmern wieder erstanden, und der Schock des Sacco di Roma saß tief.
    »Vielleicht nicht, aber sie hätten es sicher genauso gern getan, wenn sie die Gelegenheit dazu gehabt hätten«, blaffte Tomaso zurück.
    »Unsinn! Du weißt doch gar nicht, worüber du sprichst. König Franz liebt Italien. Zwar meint er, einen Anspruch auf Mailand und Savoyen zu haben, aber niemals hätte er die Verwüstung Roms zugelassen, niemals!«, widersprach Armido.
    Simonetta seufzte. »Könnt ihr das zu anderer Zeit austragen? Wie lange bleibst du?«
    »Morgen mache ich mich auf den Weg, um die anderen in Pisa zu treffen. Dort wartet eine Gruppe französischer Kaufleute auf uns, mit denen wir nach Fontainebleau reisen. Unter ihnen ist auch einer der königlichen Agenten, die regelmäßig Kunstwerke in Rom kaufen. Allein deswegen werden wir uns um unsere Sicherheit keine Sorgen machen müssen.« Rasch löffelte Armido seine Schüssel leer, denn die Köchin stellte einen Topf mit dampfendem Wildschweingulasch auf den Tisch.

    »Was denn für Agenten?« Luisa wusste kaum etwas über Frankreich. Was man sich über König Franz erzählte, waren Geschichten über seinen Hofstaat und seine Touren durch Frankreich. Einmal hatte sie gehört, dass der König mit zwanzigtausend Pferden durch die Lande zog, begleitet von einem fast ebenso großen Gefolge. Das war unvorstellbar!
    »Köstlich, Giuseppa!« Pietro hatte das Fleisch gekostet und fuhr sich genießerisch mit der Zunge über die Lippen. Die Köchin strahlte und ging wieder zur Feuerstelle, wo der Küchenjunge mit rotem Gesicht Holz nachlegte.
    »Jetzt lass ihn doch essen, Luisa!«, ermahnte Simonetta sie.
    Doch Armido nickte lächelnd. »Genaues weiß ich auch nicht, nur, dass der König regelmäßig seine Leute nach Italien schickt, wo sie alles, was von besonderem Wert ist, aufkaufen. Diese Agenten laden auch die Künstler an den Hof. Michelangelo soll sich geweigert haben, und deshalb hat er maestro Rosso geholt.«
    »Er wollte maestro Michelangelo nach Frankreich holen? Gott, niemand kann einen solchen Mann bezahlen!«, staunte Luisa.
    »Der französische König schon. Er hat sogar Leonardo da Vinci bis zu dessen Tod bei sich gehabt.«
    »Da war der maestro schon alt und hat keine Bilder mehr gemalt«, sagte Tomaso und steckte eine Gabel Fleisch in den Mund.
    »Eigentlich ist es zwecklos, jemanden belehren zu wollen, der so ignorant ist wie du. Maestro Leonardo hat wissenschaftliche Traktate verfasst und an Maschinen gearbeitet, die sich dein erbsengroßes Gehirn nicht einmal vorstellen kann. Der König hat ihn oft im Schloss von Amboise besucht, wo der maestro mit seinen Lieblingsbildern, der Mona Lisa , der Anna Selbdritt und dem Johannes der Täufer lebte. So große Stücke hielt König Franz auf den maestro , dass er in
der Stunde seines Todes bei ihm war. Solch ein Mann ist der französische König!«
    Tomaso sagte nichts mehr, und Luisa freute sich im Stillen, dass ihm endlich jemand den Kopf zurechtsetzte. Aber Armido würde schon morgen wieder fort sein!
    Rastlos lief Luisa den Rest des Tages durch die Werkstatt und wartete nur darauf, ihren Bruder allein sprechen zu können. Diese Gelegenheit ergab sich erst spät am Abend nach dem Essen. Simonetta hatte die Kinder zu Bett gebracht und sich mit Tomaso zur Ruhe begeben. Auch Pietro hatte sich bereits zurückgezogen, denn die Verletzungen machten ihm mehr zu schaffen, als er zugegeben hätte. Der Hof lag im Dunkeln. Nur aus der Werkstatt schien noch Licht, und vor den Stallungen brannte eine Laterne. Giuffredo deckte eine der Kisten mit Kalksand ab und streckte sich.
    »Gute Nacht, Luisa!«
    »Geh nach Hause, Giuffredo, deine Frau und deine Kinder warten. Ist Armido noch drinnen?« Sie nickte in Richtung Werkstatt.
    »Ja.« Der Steinmetz machte sich auf den Heimweg, und Luisa ging die Stufen hinauf.
    Sie hatte sich umgezogen und trug jetzt ein schlichtes dunkelgrünes Kleid über dem weißen Unterhemd. Da sie den ganzen Tag in Hosen und Arbeitsschürze herumlief, fühlte sie sich in den Frauenkleidern unwohl und schutzlos, aber Simonetta und Pietro bestanden darauf, dass sie zumindest außerhalb der Werkstatt wie eine anständige Frau auftrat. Unter ihren Nägeln klebte
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