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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau
Autoren: Wilken Constanze
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aber sobald sie die Alpen erreicht hatte, würde sie eine Nachricht schicken. Vorher nicht, sonst würde er sie zurückholen lassen. Nur das nicht! Nach Armidos Abreise hatte sie fieberhaft überlegt, wie sie nach Frankreich gelangen konnte. Dass sie Geld brauchte, war die erste Hürde, und sie hatte wochenlang mit sich gerungen, aber es gab keine andere Möglichkeit – sie musste ihre eigene Familie bestehlen. Von da an hatte sie jede Gelegenheit genutzt, sich in Pietros ufficio zu schleichen und einen oder zwei Scudi aus seiner Schatulle zu nehmen. Sie wusste, dass Pietro es nicht sofort bemerken würde, denn seine Buchführung war ein einziges Durcheinander, was ihre Gewissensbisse jedoch nicht minderte. Vielleicht hatte er inzwischen das Fehlen des Geldes bemerkt, es mit ihrem Verschwinden in Verbindung gebracht und war wütend auf sie. Was Simonetta und Tomaso sagten, wollte sie sich gar nicht erst ausmalen.

    Aber sie hatte keine andere Lösung gesehen. Ihre Familie hätte ihr niemals erlaubt zu reisen, und über eigenes Geld verfügte sie nicht. »Lieber Gott«, flüsterte sie, »Vergib mir. Nur du allein weißt, was die Kunst mir bedeutet. Hättest du nicht gewollt, dass ich male, hättest du mir kein Talent schenken dürfen!« Sie ballte die Fäuste und starrte in die zunehmende Dunkelheit hinaus. Den Regen, der ihr hart ins Gesicht schlug, spürte sie nicht.
    »Betest du schon für die Überfahrt, Bürschlein?« Der Knecht stieß sie unsanft in die Rippen und schwenkte die Laterne. »Da kommt die Fähre!« Er drehte sich um und winkte den anderen, die im Schutz des Wagens warteten.
    Es bedurfte einiger Überredung und Signor Vettorinis Versprechen auf die Verdopplung des Fährgelds bei Ankunft, bis der Fährmann sich mürrisch wieder auf seinen wenig vertrauenerweckenden Kahn begab. Bei dem Versuch, auf die Fähre zu rollen, wären die Maultiere samt Wagen fast in die aufgewühlten Fluten gerissen worden, doch die Knechte brüllten und rissen die armen Tiere mit aller Kraft an den Halftern, bis sie auf den schwankenden Planken standen. Mit Schaum vor den angstgeweiteten Nüstern standen die Maultiere zitternd an Bord, doch außer Luisa schien das niemanden zu kümmern.
    »Ist ja gut.« Beruhigend strich sie den Maultieren über die Köpfe. Die Wärme der Tierkörper war tröstlich und lenkte sie von der schwankenden Fähre ab. Die Vettorini saßen in ihrem Wagen, einem schlecht gefederten, aber solide gezimmerten Gefährt. Während der Fahrt hatte Signora Vettorini den Mädchen aus der Bibel vorgelesen. Wenn diese gottesfürchtigen Leute entdeckten, dass sie eine Frau war, würden sie sie sofort der Blasphemie bezichtigen und dem nächsten Kirchengericht, schlimmer noch, der Inquisition ausliefern. Luisa schauderte. Allein das Wort war furchterregend.
Zu viele Unschuldige waren bereits auf den Scheiterhaufen gestorben, und ein Ende des Alptraums schien nicht in Sicht. Schuld war der neu ernannte Kardinal Gian Pietro Carafa, der Papst Paul III. ständig mit neuen Forderungen nach strengerer Verfolgung der Ketzer in den Ohren lag. In Frankreich war alles anders, musste es besser sein. Marguerite d’Angoulême, die Schwester des Königs, stand den reformistischen Kreisen nahe und sympathisierte sogar mit dem ketzerischen Luther.
    »Träumst du? Los, pack mit an, Bursche. Wir sind gleich da!« Einer der Männer, die zu Vettorinis Reisegruppe gehörten, klopfte den Maultieren auf die Flanken und deutete in die nun fast undurchdringliche Dunkelheit. Wind und Regen schienen eher zu- als abzunehmen, und Luisa musste die Augen zusammenkneifen, um das Licht am anderen Ufer ausmachen zu können. Das Wasser hing in dicken Tropfen an ihren Wimpern, und ihre Kleidung war vollständig durchweicht. Die Angst vor dem Ertrinken wich der Kälte, die ihre Glieder emporkroch und ihre Zähne klappern ließ.
    Das Gefährt von der Fähre herunterzulotsen war deutlich einfacher als das Auffahren, denn sobald die Maultiere das sichere Ufer witterten, hatten sie kein anderes Ziel, als den schwankenden Kahn zu verlassen.
    »Gibt es hier ein Gasthaus?«, fragte sie den Fährmann, der sich den versprochenen Lohn von Signor Vettorini auszahlen ließ.
    »Da drüben. Ob die euch noch aufmachen, weiß ich allerdings nicht.« Der mürrische Mann zog den gewachsten Umhang, an dem das meiste Wasser abperlte, enger um die Schultern und machte sich mit seinem Gehilfen daran, das Fährboot sicher zu vertäuen.
    Auf dieser Seite schlugen die
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