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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau
Autoren: Wilken Constanze
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dich nicht mit dem zufrieden geben, was du hast? Mehr kann dir niemand geben.« Er küsste sie auf die Stirn und hielt sie auf Armeslänge. »Alles, was möglich ist, hast du hier.«
    Sie blinzelte die Tränen fort. Alles, was möglich war. Vielleicht.

II
    Auf der Via Francigena
    D ie Wellen schlugen wütend gegen das schwankende Gefährt, das jeden Moment umzukippen drohte. Niemand hatte diesen Sturm vorhergesehen, obwohl das steigende Wasser des Flusses Warnung genug hätte sein müssen. Luisa klammerte sich an ihr Bündel und versuchte, nicht nach draußen zu sehen, wo die Männer gegen die entfesselten Naturgewalten kämpften. Neben ihr saßen zwei kleine Mädchen, weinten und riefen ständig nach ihrer Mutter, die jedoch nicht hier war, sondern in Lucca auf sie wartete. Ihr gegenüber saßen die Großeltern der Mädchen, denen der Kutschwagen gehörte. Der Wind peitschte das Wasser durch die ungeschützten Fensteröffnungen. Unwillkürlich griff Luisa nach ihrem Hut. Den Zopf hatte sie zwar abgeschnitten und die Locken auf Kinnlänge gestutzt, doch sie befürchtete noch immer, dass ihre weichen Gesichtszüge sie verraten könnten.
    In der heimischen Werkstatt war sie Kunden sicher in ihrer Hosenrolle gegenübergetreten, doch im Fall einer Entdeckung hätte ihre Familie sie beschützt. Hier draußen dagegen war sie auf sich allein gestellt, konnte niemandem trauen, musste sich entlegene Plätze zum Verrichten ihrer Notdurft suchen und immer auf der Hut sein. Eine Unachtsamkeit, und die Knechte oder Soldaten würden über sie herfallen, aber solch furchtbare Gedanken verdrängte sie sofort wieder.

    Im Gasthaus von Castelfiorentino war sie auf die Vettorini getroffen, die sich gegen ein geringes Entgelt bereit erklärt hatten, sie mitzunehmen. Wahrscheinlich hatten sie auf ein kräftiges Paar Hände mehr gehofft. Signor Vettorini, ein Kornhändler aus dem Elsatal, warf ihr nun einen vorwurfsvollen Blick zu. Erschrocken sprang sie auf und stolperte in das Unwetter hinaus. »Verflucht, was habe ich mir nur aufgehalst«, murmelte sie und warf sich dem Wind entgegen.
    Es dämmerte, und das Ufer der überfluteten Elsa war kaum auszumachen. Zwei Knechte hielten die scheuenden Maultiere, und drei Männer versuchten, den Wagen aus dem Morast zu ziehen, in den die Hinterräder immer tiefer versanken. In einiger Entfernung entdeckte sie einen Mast, von dem ein Seil über den Fluss führte. Die dazugehörige Fähre jedoch sah sie nicht. Bei diesem Sturm war an ein Übersetzen ohnehin nicht zu denken.
    »Eh!«, rief sie einem der Knechte zu. »Warum bleiben wir nicht hier? Hat doch keinen Sinn, auf die Fähre zu warten!«
    Das Wasser lief dem Mann, der die Maultiere zu beruhigen versuchte, in Kragen und Hemd. Er war völlig durchnässt, und seine Miene verhieß nichts Gutes. »Bist’n ganz Schlauer, was? Hättest den Kopf mal zum Fenster raushalten sollen während der letzten Stunden. Alle Straßen sind überflutet. Wir können nicht mehr zurück. Wenn die verdammte Fähre nicht kommt, ersaufen wir hier! Na los, pack mit an!«
    Er hatte recht. Jetzt erkannte sie, dass auch auf der anderen Straßenseite alles unter Wasser stand. Einzig die befestigte Uferstraße hatte der Flut etwas länger standgehalten, doch auch damit war es nun vorbei, wie der einsinkende Wagen zeigte.
    »Eins, zwei und drei!«, schrien die Männer von hinten, und sie stemmte sich bei drei mit gegen den Wagen, der schließlich ächzend und quietschend nach vorn rollte.

    Sie ging Richtung Fährmast und spähte in die Dämmerung. Schemenhaft machte sie auf der anderen Seite einen Turm und Gebäude aus, und plötzlich entdeckte sie in der Flussmitte die Fähre, die so stark hin- und herschaukelte, dass sie jeden Augenblick zu kentern drohte. Nacheinander gesellten sich die Knechte zu ihr und brüllten dem Fährmann aufmunternde Rufe zu. Einer schwenkte eine Laterne, und nach bangen Minuten blinkte es von der Fähre zurück.
    »Bravo! Das heißt doch, er ist außer Gefahr, nicht wahr?« Ängstlich wandte sich Luisa an den Burschen neben ihr.
    »Mann, du bist aber noch grün hinter den Ohren!« Er gab ihr einen Klaps gegen den Hinterkopf. »Machst dir gleich in die Hosen!« Sein raues Lachen unterschied sich kaum vom Geheul des Windes.
    Luisa zog den Hut in die Stirn und hielt von jetzt an den Mund. Wenn Armido auch nur die leiseste Ahnung hätte, wo sie war – er würde sie sofort nach Hause schicken lassen. Pietro machte sich wahrscheinlich große Sorgen,
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