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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau
Autoren: Wilken Constanze
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noch immer Steinstaub, aber es lohnte sich kaum, sich gründlich zu säubern, denn schon morgen früh würde sie erneut Zierleisten und Vorzeichnungen anfertigen. Die Piccolomini sollten so beeindruckt von ihren Arbeiten sein, dass sie keiner anderen Stukkadorwerkstatt je wieder einen Auftrag geben würden.

    Vorsichtig öffnete sie die Tür, darauf bedacht, nicht doch auf Tomaso zu treffen, aber nein, nur ihr Bruder stand vor einem der Musterschränke und begutachtete die Leisten und Dekorationen.
    »Die Fruchtstäbe habe ich entworfen«, sagte Luisa leise.
    Ihr Bruder drehte sich überrascht um. »Ich habe dich nicht kommen hören. Du?« Anerkennung schwang in seiner Stimme mit und machte Luisa stolz auf ihre Arbeit.
    »Ich will die Rahmungen in der Piccolomini-Villa damit ausschmücken.« Der Verwalter war sich noch nicht sicher gewesen, ob es Fresken an den Wänden und den Decken geben würde, doch die Rahmungen für etwaige Bildfelder wurden in jedem Fall benötigt.
    »Mir gefallen die gedrehten Blattornamente mit den Perlen, oder sollen das Beeren sein?« Interessiert strich er über die Musterstäbe, die erst vor wenigen Tagen gegossen worden waren.
    »Beeren, aber das ist eigentlich nicht wichtig. Ich wollte etwas mehr Lebendigkeit in die statische Leiste bringen.« Sie räusperte sich und stellte sich so, dass ihr Bruder sie ansehen musste.
    Amüsiert hob er eine Augenbraue. Die Jahre in Rom hatten Spuren in seinem Gesicht hinterlassen, die Falten um die Augen und die Linie über der Nase waren tiefer geworden. Aber sie fühlte sich ihm so nahe wie damals, als er sie mit nach Volterra genommen hatte. Er war ihr Vertrauter, der Einzige, der verstand, was ihr die Kunst bedeutete, und es nicht als die Grille eines jungen Mädchens abtat, das gerne in Hosen herumlief.
    »Was hast du auf dem Herzen, Schwesterchen?« Liebevoll strich er ihr eine Strähne aus der Stirn.
    »Weißt du noch, wie du mir maestro Rossos Kreuzabnahme gezeigt hast?«

    Er nahm eine der Rosetten in die Hände und begutachtete sie. »In Volterra? Aber ja. Du warst ganz besessen von dem Bild und hast wochenlang über nichts anderes gesprochen. Diese hier ist fehlerhaft.« Unsanft ließ er das schadhafte Stück auf den Tisch fallen.
    »Ich möchte mit nach Frankreich. Ich möchte den maestro sehen und mit ihm arbeiten!«
    Armido warf den Kopf in den Nacken und lachte. »Du bist wirklich verrückt! Erstens arbeitet er nicht mit Frauen, ich meine, niemand tut das – und zweitens kannst du einfach nicht mitkommen, weil du nicht eingeladen wurdest.«
    Flehentlich nahm sie seine Hand. »Aber du könntest mich mitnehmen, als deinen Gehilfen. Niemand würde wissen, dass ich eine Frau bin. Der Verwalter der Piccolomini hat es auch nicht gemerkt, keiner der Kunden hier hat das!«
    »Schlag es dir aus dem Kopf, Luisa. Hier in Siena, in unserer Werkstatt, ist das etwas anderes. Hier bist du inmitten der Familie, unter Freunden, aber in Frankreich … O Gott!« Er raufte sich die Haare. »Wir sind in Fontainebleau am königlichen Hof. Du weißt ja gar nicht, was das heißt! Da sind Hunderte von Leuten, die nichts Besseres zu tun haben, als sich gegenseitig zu bespitzeln und Intrigen zu spinnen, um sich beim König einzuschmeicheln. Rom war schon schlimm genug. Die päpstlichen Schmeichler, die alles tun würden, um sich Vorteile zu verschaffen. Die gehen über Leichen! Luisa, ich könnte dich nicht beschützen. Ich bin nur ein Stukkador, ein Gehilfe ohne Einfluss. Wenn sie herausfinden, wer du bist, wärest du verloren!«
    »Warum?« Ihre Augen wurden feucht, und eine Träne lief ihr die Wange herunter. »Du hast doch selbst gesagt, dass der König Frauen liebt. Vielleicht findet er Gefallen an einer Künstlerin!«
    »Willst du vielleicht in seinem Bett landen? Wahrscheinlicher
ist es, dass einer dieser Höflinge … Nein! Sieh doch nur, was du hier tun kannst. Deine Arbeit wird geschätzt, und Pietro braucht dich.«
    Sie schluchzte, als sie erkannte, dass er nicht zu erweichen war. Niemals würde sie Rosso Fiorentino kennenlernen, von dem sich die Leute erzählten, dass er den Beinamen Rosso wegen seiner Haarfarbe erhalten hatte. Er war nicht nur ein exzentrischer Künstler, sondern darüber hinaus ein schöner Mann, ähnlich wie einst Leonardo, hieß es. »Armido, ich will malen wie der maestro«, flüsterte sie mit tränenerstickter Stimme.
    Mitfühlend nahm Armido sie in die Arme und drückte sie an sich. »Kleine verrückte Luisa. Warum kannst du
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