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Die magische Maske

Die magische Maske

Titel: Die magische Maske
Autoren: Christa Holtei
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das, was er vorhatte, brauchte er einen klaren Kopf.
    Entschlossen steckte er sich das letzte Stück Brot in den Mund. Er löschte das Öllämpchen und drehte sich auf die Seite. Da hörte er, wie sich seine Tür leise öffnete und seine Mutter flüsterte: »Nein, er schläft schon. Lass ihn, Mikion.« Dann wurde die Tür wieder sacht geschlossen.
    Hegias seufzte. Durch das offene Fenster konnte er das Mondlicht weiß auf den Dächern der gegenüberliegenden Häuser schimmern sehen. Seltsam, wie sich nachts die Farben veränderten. Die Tonziegel auf den Dächern waren eigentlich rot.
    Bestimmt war es ein Fremder, dachte er, als ihm die Augen zufielen. Ein groß gewachsener Einbrecher. Ein Maskendieb. Vielleicht war er ja irgendwann im Dunklen über die Mauer geklettert. Sie sollten sich einfach einen Hund anschaffen. Der würde dann nachts auf dem Hof aufpassen. Hegias seufzte noch einmal tief und schlief dann endlich ein.
    Aber es war ein unruhiger Schlaf und er schreckte mitten in der Nacht auf. Draußen war ein Raschelnzu hören. Und dann ein kratzendes Geräusch auf dem Holzbalken vor dem Fenster. Es war leise, aber Hegias wurde trotzdem davon wach. Er öffnete die Augen und fuhr zusammen. Jemand stand vor seinem Fenster. Aber das konnte doch gar nicht sein! Sein Zimmer war doch im oberen Stock! Und gerade hatte er noch von einem Riesen geträumt, der sich eine bärtige Maske vor das Gesicht hielt. Eine Satyrmaske! Der Riese hatte wild im Hof getanzt und dabei alle Amphoren zertrampelt. Aber das war nur ein Traum gewesen. So groß war niemand!
    Er wagte nicht, sich zu bewegen, und starrte gebannt auf den schwarzen Schatten. Zwei weiß glühende Augen in einem runden Kopf schienen ihn anzublicken. Dann drehten sie sich langsam von ihm fort. Der Schatten bewegte sich etwas zur Seite. Und dann breitete er die Flügel aus und flog davon.
    Eine Eule! Hegias war so erleichtert, dass er fast laut gelacht hätte. Er lief leise zum Fenster und blickte dem Vogel Athenes nach, der lautlos durch das helle Mondlicht glitt. Warum hatte die Eule ihn geweckt? Eulen waren leise. Man hörte sie nicht. Vielleicht hatte die Göttin ihren Vogel geschickt, um ihn zu trösten? Das taten Götter manchmal. Oder war es ein Zeichen, dass sie die Maske finden würden?
    Plötzlich zuckte er zusammen. Von der Straße klang Wispern zu ihm herauf. Wer trieb sich so spät noch vor ihrem Haus herum? Er lauschte angestrengt. Vielleicht konnte er ja verstehen, worüber geredet wurde.
    Es waren zwei Stimmen.
    »Du bekommst erst morgen das Geld! Aber nur, wenn du alles so gemacht hast, wie wir es besprochen haben«, zischte die eine Stimme.
    »Natürlich habe ich das!«, flüsterte die andere. »Was glaubst denn du?«
    »Du hast die Masken verschwinden lassen?«
    »Wie es abgemacht war.«
    »Beide?«
    »Ja. Auch der andere kann nicht brennen.«
    Ein leises, böses Kichern.
    »Gut so!«
    Die Stimme murmelte noch etwas, aber das konnte Hegias oben am Fenster nicht mehr verstehen. Er hörte, wie sich gedämpfte Schritte eilig entfernten. Irgendwo in der Nähe wurde fast geräuschlos eine Tür geschlossen. Dann war alles wieder ruhig.
    Hegias wusste jetzt, warum Athenes Vogel ihn geweckt hatte. Es war nicht nur ein Dieb, es waren zwei. Und sie klangen gefährlich.

Unter der Platane
    Den Rest der Nacht hatte sich Hegias unruhig im Bett herumgewälzt. Der Riese mit der Satyrmaske war in seinen Träumen immer wieder aufgetaucht. Er war im Hof herumgesprungen, immer rund um den Ofen. »Du bekommst das Geld!«, hatte er geflüstert. Und dann hatte er böse gekichert.
    Erschrocken und verwirrt fuhr Hegias am frühen Morgen aus dem Schlaf auf und blickte zum Fenster. Draußen wurde es Tag. Strahlend ging die Sonne über den roten Dächern des Kerameikos-Viertels auf. Es war nach den Keramikern, den Töpfern Athens, benannt, die fast alle hier im Westen der Stadt ihre Werkstätten hatten. Die ersten Geräusche waren zu hören. Eine Tür schlug zu, irgendwo bellte ein Hund, eine Frau rief etwas und lachte.
    Das machte Hegias endgültig wach. Schnell stand er auf, zog sich einen frischen Chiton über und lief die Treppe zum Hof hinunter. Es war noch niemand zu sehen, nur in der Küche traf er auf die Haussklavin. Sie gab ihm einen Becher Ziegenmilch, den erhastig austrank. Gleich kam bestimmt der Rest der Familie, aber er wollte seinem Vater erst wieder begegnen, wenn er Genaueres über die Maske wusste. Er musste herausfinden, wer die beiden Fremden waren, und
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