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Die magische Maske

Die magische Maske

Titel: Die magische Maske
Autoren: Christa Holtei
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in tausend Scherben auf dem Boden.
    Sein Vater hatte keine Entschuldigung gelten lassen. Wenn das so weiterginge, hatte er Hegias angefahren,hätte er in einer Töpferei nichts zu suchen. Er sei vollkommen untauglich für den Beruf. Zornig hatte er seinen Sohn einen ganzen Tag lang nicht beachtet und kein Wort mehr mit ihm gesprochen.
    Wieder schossen Hegias Tränen in die Augen. Er liebte es, mit Ton umzugehen, und er wünschte sich sehr, eines Tages so ein guter Töpfer zu werden wie sein Vater. Aber wie sollte er ihm das nur beweisen?
    Entschlossen wischte er die neuen Tränen fort.
    »Diesmal hab ich aber keine Amphore kaputt gemacht!«, sagte er trotzig.
    »Was ist denn dann zu Bruch gegangen?«, fragte Paseas. »Irgendwas
musst
du doch angestellt haben!«
    Iris verlor allmählich die Geduld. »Wie sollen wir dir helfen, wenn du nicht sagst, was du gemacht hast?«
    »Nichts!«, rief Hegias empört. »Vater will bloß morgen die Preisamphoren brennen!«
    »Ja und?«, fragte Iris. »Das wollen wir doch auch. Wir fangen morgen alle zusammen mit dem Brennen an. Das ist doch so verabredet.«
    Die beiden Töpferfamilien hatten den Ofen von Anfang an gemeinsam genutzt. Er stand in der Mitte ihres Hofes und war teilweise in die Erde eingelassen, damit er die Hitze besonders gut hielt. Um ihnherum waren mit der Zeit die übrigen Gebäude entstanden: die beiden Wohnhäuser und die Werkstätten, die Regale zum Trocknen der Gefäße, die Schlämmbecken zum Reinigen des Tons und die Umfassungsmauer mit den beiden Eingangstüren.
    »Und dann werden wir auch rechtzeitig fertig«,sagte Paseas. »Wir haben ja noch zwei Wochen Zeit!«
    Nur Töpfer, die pünktlich und verlässlich waren, konnten sicher sein, einen der begehrten Aufträge für die Panathenäen-Spiele zu bekommen. Es wäre eine Katastrophe, wenn die ersten und zweiten Preise in einem der Wettbewerbe nicht vergeben werden könnten, weil die Preisamphoren nicht fertig waren. Ganz Griechenland würde über Athen und Attika lachen! Und für die nächsten Spiele in vier Jahren würde der schuldige Töpfer ganz bestimmt keinen der einträglichen Aufträge mehr bekommen.
    »Deshalb haben wir doch überhaupt so geschuftet!«, fügte Iris hinzu.
    Seit Wochen hatten beide Familien und die Sklaven unermüdlich darauf hingearbeitet, dass sechzig Amphoren für die Sieger im Ringkampf und hundertachtzig Amphoren für die Sieger im Wagenrennen rechtzeitig geformt, bemalt und gebrannt wurden. Auch die Kinder hatten geholfen, wo sie konnten.

    Sie hatten die Töpferscheiben gedreht, auf denen die Amphoren gleichmäßig aus einem Klumpen Ton hochgezogen wurden, oder neue Pinsel zum Bemalen besorgt oder Tonbrei mit Wasser zu der Farbe verdünnt, mit der die Vasenmaler arbeiteten.
    Hegias seufzte tief und sagte niedergeschlagen: »Wir können aber nicht brennen.«
    Paseas und Iris schauten ihn entsetzt an.
    »Nicht brennen? Warum denn nicht?«, fragte Iris ungeduldig. »Sind eure Amphoren nicht fertig?«
    Die Geschwister warfen einen ungläubigen Blick hinüber zu Mikions langen Regalen, auf denen kein Platz mehr für weitere Amphoren zu sein schien.
    »Doch, wir sind fertig. Das ist nicht das Problem.« Unglücklich sah er seine Freunde an.
    »So«, sagte Paseas entschieden, »es reicht! Erzähl endlich, was du gemacht hast. Und sag jetzt nicht wieder ›nichts‹!«
    »Aber ich habe wirklich nichts gemacht«, verteidigte sich Hegias.
    »Und was ist dann los?«, fragte Iris.
    »Wir können nicht brennen«, wiederholte Hegias. Und dann sagte er einen so schrecklichen Satz, dass es Paseas und Iris die Sprache verschlug: »Die magische Maske ist verschwunden.«

Hegias hat ein Geheimnis
    »Was?«, rief Paseas entsetzt.
    »Die Maske ist weg?« Iris konnte es einfach nicht glauben. Sie rannte zum Ofen, um selbst nachzusehen. Tatsächlich! Oben an der Seite des Ofens, auf der auch das Feuerloch war, hätte sie hängen müssen. Aber sie war nicht da.
    »Was machen wir denn jetzt?«, fragte Paseas fassungslos. »Wie sollen wir die Amphoren ohne die magische Maske brennen? Ohne den Schutz der Götter?«
    Plötzlich schlug Iris sich eine Hand vor die Stirn. »Das gibt es doch nicht!«, rief sie und schaute Hegias zornig an. »Sag bloß, du hast die Maske mit deinem Ball vom Ofen geschossen und jetzt ist sie kaputt!«
    Auch Paseas fuhr zu Hegias herum. »Hast du etwa deshalb die Ohrfeigen bekommen?«
    Ohne die magische Maske brannte kein Töpfer von Athen seine Gefäße. Sie war aus Ton und trug
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