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Die magische Maske

Die magische Maske

Titel: Die magische Maske
Autoren: Christa Holtei
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und entzündete ein Öllämpchen am Herdfeuer. Bevor er die Holztreppe vom Hof zum oberen Stock hinaufstieg, spähte er vorsichtig aus der Tür. Mikion und Daphne standen am Ofen und sprachen leise miteinander. Paseas und Iris waren nicht mehr zu sehen. Wie der Blitz lief er die Treppe hinauf.
    Hier oben war das Reich seiner Mutter. Hegias ging am hohen Webrahmen vorbei, der in einer Ecke stand. Daphne webte die Stoffe für die Kleidung der Familie. Im Moment arbeitete sie an einem Chiton für Hegias. Er war sehr gewachsen in letzter Zeit.
    Körbe mit gereinigter Wolle waren an der Wand aufgereiht. Offenbar hatte seine Mutter gerade Wollfäden zum Spinnen vorbereitet, als sie die Aufregung im Hof hörte. Hegias hatte ihr oft genug dabei zugesehen, wie sie den endlos langen groben Faden, aus dem sie später feines Garn spinnen wollte, über ihrem Bein drehte. Dafür benutzte sie einen Beinschutz aus Keramik, der jetzt achtlos neben ihrem Schemel lag. Mikion hatte ihn angefertigt. Er sah aus wie eine halbe Röhre und passte genau auf ihren Oberschenkel. Über eine Fläche aus vielen in den Ton geritzten Schuppen konnte sie so Wolle zu einem Faden drehen, ohne dass ihr Gewand vom Fett aus der Wolle hässliche Flecken bekam. Daphne hatte sich sehr gefreut. »Was für eine gute Idee!«, hatte sie lachend zu Mikion gesagt. »Beim Töpfern ruiniere ich mir meine Kleidung schon genug!«
    Hegias ging an den Wollkörben vorbei zum vorderen Teil des Hauses, wo direkt über der Werkstatt sein kleines Zimmer war. Erleichtert öffnete er die Tür. Er brauchte jetzt dringend Ruhe zum Nachdenken. Auf den Holzdielen stand ein einfaches Bett, es gab einen Tisch und einen Stuhl und an der Wand eine Truhe – mehr brauchte er nicht. Er war sowieso jede freie Minute in der Werkstatt seines Vaters.

    Er stellte das Öllämpchen auf den Tisch neben seinem Bett. Dann legte er sich hin und stopfte sich ein Kissen in den Rücken. Und während er Brot und Käse aß, dachte er über diesen merkwürdigen Tag nach. Das war nicht einfach, denn in seinem Kopf drehte sich alles im Kreis. Da war diese furchtbare Sache mit seinem Vater. Er musste ihn unbedingt von seiner Unschuld überzeugen. Aber das konnte er nur, wenn er die Maske fand. Wenn er aber die Maske wiederhaben wollte, musste er herausfinden, wer sie gestohlen hatte. Und das machte Hegias Angst. Vielleicht war der Dieb ja gefährlich! Auf jeden Fall war er kaltblütig genug, einfach die Maske vom Ofen zu stehlen. Und sie hatten es alle nicht gemerkt.
    Wer konnte es nur sein? Die Erwachsenen waren viel zu zornig auf ihn, weil sie ihn für schuld an dem ganzen Unglück hielten. Sie konnten also nichts damit zu tun haben. Außerdem wollten sie die Amphoren brennen, was ohne die Maske nicht ging. Sie würden sich ja nicht selbst schaden.
    Die Vasenmaler? Die konnten es auch nicht gewesen sein. Hegias biss in den Käse und schüttelte den Kopf. Nein. Es traf die Vasenmaler genauso, wenn man nicht brennen konnte. Smikros und Epiktetos in der Werkstatt seines Vaters wussten das, undOnesimos in Andokides’ Werkstatt auch. Die drei arbeiteten als Sklaven, aber sie hatten die Chance, sich einen Namen als Künstler zu machen und sich deshalb vielleicht eines Tages sogar freizukaufen.
    Das gelang aber nur, wenn die Gefäße fertig wurden. Besonders die Amphoren für die Panathenäen.
    Deshalb schrieben sie sogar stolz ihre Namen darauf. »Mikion hat mich gemacht, Smikros hat mich bemalt«, stand auf den Amphoren, die sie verkauften. Es war eine gute Werbung für Töpfer
und
für Vasenmaler. Es gab wirklich viele Töpfereien in Athen.
    Hegias lächelte. Er erinnerte sich, wie er selbst mit etwas krakeligen Buchstaben »Hegias hat mich bemalt« auf die Schale geschrieben hatte, die er seinem Vater schenken wollte. Wenn sie gebrannt werden konnte. Allein schon deshalb musste er die Maske wiederfinden!
    Vielleicht würde sein Vater an seinem Geburtstag ja begreifen, was für einen Sohn er hatte, grübelte Hegias. Wenn er die Schale bekam, dann würde er sehen, was in seinem Sohn steckte. Dass er ein guter Töpfer werden wollte, der sogar malen konnte.
    Hegias zog schniefend die Nase hoch. Bloß nicht wieder weinen! Das konnte er jetzt nicht brauchen. Jetzt musste er mutig sein. Er musste unbedingt dieMaske finden. Und den Dieb. Da! Jetzt war er wieder am Anfang angekommen. Wer hatte sie gestohlen?
    Nein. Hegias wollte nicht, dass seine Gedanken wieder zu kreisen anfingen. Das half nicht weiter. Für
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