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Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition)

Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Gabriele Breuer
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osnabrückschem Militär verhaftet. Doch im Augenblick eilt es mich, denn in wenigen Minuten findet eine Ratssitzung statt, der ich beiwohnen möchte. Auch wenn ich nicht eingeladen bin.« Er zwinkerte verschmitzt und ging davon.
    Iven blickte dem Fremden verblüfft hinterher. Er war es nicht gewohnt, von feinen Leuten eingeladen zu werden. Das Angebot schien jedoch durchaus verlockend, und er nahm sich vor, bei Gelegenheit vielleicht darauf zurückzukommen.
    Aus dem Fenster wehte eine dünne Rauchfahne und brachte den Geruch von Feuer mit sich. Iven beschleunigte seinen Schritt. Viel zu lange hatte er die Eltern allein gelassen. Angst schnürte ihm die Kehle zu. Mit weichen Knien trat er durch die Tür des Hauses.
    Seine Mutter goss soeben Wasser aus dem Holzeimer in den Kessel, aus dem zischend schwarzer Qualm aufstieg.
    »Was machst du denn da?« Iven lief auf die alte Frau zu und starrte auf die Feuerstelle.
    »Nichts. Das Essen ist angebrannt, es ist nichts.« Neben ihren Füßen lag ein Haufen trockenes Gras.
    »Das wolltest du kochen?« Ungläubig starrte Iven sie an.
    »Ist ja nichts anderes da!«, keifte sie.
    »Aber, Mutter, das kann doch niemand essen. Außerdem solltest du auf mich warten. Sieh, ich war auf dem Markt einkaufen.« Iven hielt ihr das alte Brot hin, das er von einem Bäcker geschenkt bekommen hatte.
    »Pah, trockenes Brot! Das hängt mir zum Halse raus.«
    Iven beachtete die Stänkerei nicht und sah sich nach seinem Vater um, den er jedoch nirgendwo erblickte.
    »Übrigens hat die Frau vom Kallendresser mein ganzes Geld geklaut.« Seine Mutter ließ sich am Tisch nieder und blickte Iven vorwurfsvoll an.
    Wenn es nur welches gegeben hätte , dachte er bei sich und setzte sich neben sie.
    Die Mutter hatte die Nachbarin noch nie leiden können, ebenso wenig wie deren Mann, der die Dächer in der Stadt deckte. Sie behauptete, dass er bei der Arbeit in die Dachrinnen schiss, und so hatte sie ihm schon vor langer Zeit den Namen Kallendresser gegeben.
    Iven blickte auf den freien Stuhl gegenüber. »Sag, wo ist eigentlich Vater?«
    »Na, bei der Arbeit. Wo sonst? Was fragst du denn so töricht?«
    »Etwa im Schuppen?« Iven erhob sich.
    »Doch nicht im Schuppen! Auf dem Dom ist er.« Die Mutter nickte in Richtung Tür. »Wurde auch langsam Zeit, dass das hässliche Ding fertig wird.«
    Iven glaubte, sich verhört zu haben. Kam er denn gar nicht zur Ruhe? Sein Vater auf dem Dom? Er stürzte aus dem Haus und hastete die Gasse in Richtung Rhein entlang.
    Schnaufend und nach Atem ringend, blieb er schließlich stehen und blickte gen Himmel. Hoch oben auf dem Kran vor dem Südturm sah Iven einen grauen Schatten nah am Abgrund stehen.
    Als wäre eine Meute wilder Hunde hinter ihm her, stürmte er in die Kathedrale.
    Westlich der Stadt Köln auf der Straße nach Aachen beschritt Theres mit ihren wenigen Habseligkeiten in einem Bündel den steinigsten Weg ihres Lebens. In ihrem gewölbten Leib trat das Ungeborene gegen ihre Rippen, als wollte es sich wehren, von seiner Mutter diese Straße entlanggetragen zu werden.
    Zwei Buben warfen Steine in die Birnbäume am Wegesrand und führten einen wilden Freudentanz auf, wenn endlich eine Frucht zu Boden fiel.
    Nach wenigen weiteren Schritten hielt Theres inne, denn hier endete ihr Fußmarsch. Vor ihr erhob sich der campus leprosori , der Hof der lebenden Toten. Der Pfarrer hatte sie am Abend zuvor aus der Gemeinde ausgesegnet, und nun war dies der Ort, an dem sie bis zu ihrem Lebensende ausharren würde. Wie viel Zeit ihr noch blieb, das wusste nur der Herr im Himmel. Drei Tage zuvor hatte sie sich im Leprosenhaus besehen lassen. Dabei hatten die Prüfmeister einmütig bestätigt, dass es sich bei den Pocken in ihrem Gesicht um die Zeichen der Sieche handelte. Theres strich sich über den Bauch, als wollte sie sich bei dem kleinen Geschöpf, das in ihr wuchs, Mut holen. Über ihre Wangen rannen Tränen, als sie den kleinen Fuß spürte, der sich in ihre Hand drückte.

3. K APITEL
    E lsgen hob die Hinterbacken und ließ die Luft hinaus, die in ihrem Gedärm drückte. Am Morgen hatte der Hospitalmeister sie und ihren Mann zu einem Gespräch in seiner Unterkunft auf dem Hof der Siechen gerufen. Es stünde schlecht um die Finanzen, hatte er dem Verwalterehepaar angedeutet.
    Ein fahler Sonnenstrahl fiel durch die verstaubte Fensterscheibe in das Arbeitszimmer. Ambrosius, der Hospitalmeister, saß an einem einfachen Schreibpult aus Kiefernholz und überflog die
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