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Die Macht der Ehrlichen: Eine Provokation (German Edition)

Die Macht der Ehrlichen: Eine Provokation (German Edition)

Titel: Die Macht der Ehrlichen: Eine Provokation (German Edition)
Autoren: Bernhard Bueb
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begegnet, durch Aufklärung das Fundament entzogen wird. Ehrlichkeit ist nicht eine passive Haltung, sie ist aktives Verhalten. Mich haben ehrliche Menschen aufgeregt, die die Verlogenheit von Vorgesetzten oder Kollegen erkannten, sich aber nach dem Satz verhielten: »Ich heiße Hase und weiß von nichts.« Passivität, Scheu vor Konflikten und Trägheit können mutige Ehrliche schwer ertragen. Es ist ein Zeichen von Mündigkeit und Erwachsensein, für die Wahrheit und gegen die Lüge einzutreten.
    Autoritäre Persönlichkeiten vertrauen auf die Trägheit und Feigheit der Menschen. Das ist das Geheimnis ihres Erfolgs. »Faulheit und Feigheit sind die Ursachen«, so schreibt Kant in seinem Essay »Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?«, das im Dezember 1784 in der Berlinischen Monatsschrift erschienen ist, »warum ein so großer Teil der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung freigesprochen, dennoch gerne zeitlebens unmündig bleibt; und warum es anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig zu sein.« Man mag den Ehrlichen zugutehalten, dass ihre Tatkraft erlahmt, wenn ihnen die Lüge frech und machtvoll begegnet. Ihnen fehlen dann die »Waffen« gegen diesen Feind, weil er selten in ihrem unmittelbaren Umfeld erscheint oder weil sie die Waffen gegen einen solchen Feind nie schärfen mussten. Das entlastet sie aber nicht von der Forderung, für die Wahrhaftigkeit kämpfen zu sollen.
    Der Absolvent einer Waldorfschule trat nach seiner Ausbildung seine erste Stelle in einer Firma an. In der Abteilung, in der er landete, redete jeder über jeden. Und als Neuer wurde er zum bevorzugten Objekt. Ihn erschütterte diese für ihn ungewohnte Erfahrung menschlicher Arglist. Er fiel in eine Art Apathie, hielt aber die Intrigen nicht aus und entschloss sich deshalb, Gemeinheiten offen anzusprechen. Dieses Verhalten hatte Auswirkungen in zweifacher Hinsicht: Er selbst fühlte sich wohler, und sein Ansehen stieg. Er bekam sogar den Eindruck, dass sein beherztes Auftreten der Anfang eines veränderten Umgangs in der kleinen Abteilung wurde.
    Ehrlich zu sich sein zu wollen ist die höchste Herausforderung an uns Menschen. Selbstbetrug ist vermutlich die häufigste Ursache von misslingenden Beziehungen. Menschen bauen Fassaden auf, hinter denen sie sich verstecken. Sie legen sich die Dinge so zurecht, dass sie sich selbst gegenüber den Schein der Ehrlichkeit wahren. Psychotherapie, Psychiatrie und alle Formen des Coaching lassen sich auf die Bemühung reduzieren, Menschen von diesen Fesseln des Selbstbetrugs zu erlösen und ihnen so zu helfen, ein gutes Leben zu führen.
    Auch Arthur Schopenhauer erkannte: »Ein Mensch muss wissen, was er will, und wissen, was er kann: Erst so wird er Charakter zeigen, und erst dann kann er was Rechtes vollbringen.«
    »Werde, der du bist – durch Lernen«, diese Aufforderung des griechischen Dichters Pindar durchzieht die ganze Geschichte des Abendlandes und ist so wahr wie vor 2500 Jahren. Der Weg zu sich selbst ist mit den Bemühungen um Selbsterkenntnis gepflastert; er ist aber auch voller Fußangeln.
    Es gibt Menschen, die auf das Nachdenken über sich selbst und die daraus resultierenden Erkenntnisse verzichten. Ich denke hierbei an Fundamentalisten jeglicher Couleur. Sie sind ideologische Selbstbetrüger. Sie geben vor, das Wohl der Menschen zu verfolgen, befriedigen aber nur ihren Willen zur Macht.

Von der Schwierigkeit,
ehrlich zu sein
    Wir belügen uns fortwährend selbst. Die Ehrlichen unterscheiden sich dadurch, dass sie es wissen. »Man wird selten finden, dass ein Mann, dessen Liebe sich von einer Frau ab- und einer anderen zuwendet, nicht das Bedürfnis empfindet, dies dadurch vor sich selbst zu legitimieren, dass er sagt: Sie war meiner Liebe nicht wert, oder sie hat mich enttäuscht, oder was dergleichen ›Gründe‹ mehr sind.« Dieses Beispiel führt der Soziologe Max Weber in seiner 1919 gehaltenen, legendären Rede »Beruf als Politik« an, um zu zeigen, dass es eine Struktur der Selbstrechtfertigung gibt, die im persönlichen Umgang ebenso verbreitet ist wie im Umgang von Politikern mit der Öffentlichkeit. Wir belügen uns, um nicht die Verantwortung für unser Handeln übernehmen zu müssen.
    Der erste Schritt zur Ehrlichkeit ist die Bereitschaft, zu sich selbst ehrlich zu sein. Wir müssen zu uns stehen, wie wir sind. »Dies über alles: sei dir selber treu / Und daraus folgt, so wie die Nacht dem
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