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Die Lutherverschwörung

Die Lutherverschwörung

Titel: Die Lutherverschwörung
Autoren: Christoph Born
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nachts im Traum erscheint … Er muss sterben, damit das Böse aus der Welt verschwindet …
    Er brachte seinen Körper wieder unter Kontrolle und zielte. Der Pfeil löste sich. Wulf schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete, steckte der Pfeil in Brangenbergs Hals. Er hatte ihn in die Brust treffen wollen. Der Mönch drehte sich erschrocken zu Brangenberg um, doch ehe er ihn stützten konnte, war der alte Mann schon zu Boden gestürzt.
    Schnell! Er musste das Fenster schließen, ehe ihn jemand entdeckte! Aber Wulf konnte sich von dem Anblick nicht losreißen, es war wie ein Zwang. Er starrte auf den am Boden liegenden Brangenberg, hörte die entsetzten Schreie der Umstehenden. Er genoss den Augenblick, denn er hatte sein Werk vollbracht; genoss ihn ein wenig zu lang, denn als er endlich eilig die Läden zuklappte, schien es ihm, als ob jener Söldner, den sie Jost nannten, den Kopf hob und zu ihm hochschaute.
    Es mochte nur Einbildung gewesen sein, aber Wulf wusste, dass er nun keine Zeit mehr verlieren durfte. Er rannte los – ohne seine Armbrust –, rannte um sein Leben die Treppe hinunter, polterte und lärmte, aber das war unwichtig. Er nahm mehrere steile Stufen auf einmal und fürchtete schon, sich den Hals zu brechen. Endlich kam das Erdgeschoss.
    Den Fluchtweg hatte er zuvor genau geplant. Dort war die Tür, die zum Innenhof führte, durch die er das Haus auf der Rückseite verlassen wollte. Diese Tür besaß nicht nur einen Riegel von innen, sondern auch einen von der Hofseite her – ein ideales Mittel, um mögliche Verfolger abzuschütteln. In dem Moment, als er den Türknauf ergriff, öffnete sich jedoch die Haupttür des Hauses. Dort erschien – wie eine Figur aus einem Alptraum – der Söldner. Wulf hatte sich also nicht getäuscht! Jener vermaledeite Jost hatte ihn tatsächlich gesehen, während er den Laden schloss.
    Einen Moment lang erstarrten beide, erschrocken und überrascht, dem andern so nahe zu sein; aber dann erwachten sie fast zeitgleich aus ihrer Reglosigkeit. Während Jost sein Schwert zog, um auf Wulf loszugehen, hatte dieser schon die Tür zum Hof geöffnet, schlüpfte hindurch und verriegelte sie von außen. Der Söldner bekam nur noch den Türknauf zu fassen, an dem er vergebens rüttelte.
    Wulf lachte, während er durch den Hof rannte, vorbei an zwei Mädchen, die dort Seilhüpfen spielten und ängstlich vor ihm zurückwichen. Während er durch einen schmalen Torbogen lief und um die Ecke in eine Gasse bog, hörte er hinter sich Holz bersten und lautes Fluchen. Selbst wenn Jost ihm auf den Fersen blieb, besaß er einen entscheidenden Vorteil, denn der Söldner hatte nicht sehen können, in welche Richtung er floh.
    Wulf kannte die Stadt zwar kaum, doch er war geschickt darin, sich in fremden Orten zurechtzufinden. Sicherheitshalber wechselte er mehrmals die Richtung. Die Schöße seines alten Pilgermantels, an dem eine Jakobsmuschel klebte, wehten hinter ihm her, während er atemlos durch die Gassen hastete. Passanten blickten sich verständnislos nach ihm um, doch er bemerkte sie kaum, die Frauen hinter offenen Fenstern, die in ihren Küchen hantierten, die Handwerker und Kaufleute in den kleinen Läden, die Alten, die sich mit einem Würfelspiel die Zeit vertrieben. Mehrmals schaute er sich um, ob der Söldner ihm folgte, und einmal glaubte er ihn auch zu entdecken – aber da konnte er sich auch getäuscht haben.
    Endlich entkam er dem Gewirr der engen Gassen und lief zwischen den Säulen und Trümmern des ehemaligen Forum Romanum entlang, wo Schafe und Ziegen weideten. So schnell vergeht Glanz und Ruhm, hatte er noch vorgestern gedacht, als er hierher gepilgert war. In der Ferne tauchten die Mauern des Kolosseums auf – jetzt, in der anbrechenden Dunkelheit, noch beeindruckender als bei Tag. Ein Ungeheuer, das sich aus der Erde emporhob, wuchtig und von einer Größe, die er sich vor einem Jahr nicht hätte erträumen können. Dort hatte er in einem Gebüsch sein Pferd versteckt.
    Seine Schritte wurden langsamer, die Beine drohten ihm den Dienst zu versagen – da sah er hinter sich, dass der Söldner ihn immer noch verfolgte. Wie war es Jost bloß gelungen, seiner Spur zu folgen – trotz aller Haken, die er geschlagen hatte? Der Mann war viel größer als er selbst, vielleicht lag es daran … Wulf verfluchte wieder einmal seinen kleinen Wuchs. So sehr er sich auch danach sehnte, stehen zu bleiben und aufzugeben: Eine rettende innere Stimme forderte ihn stets auf, noch
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