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Die Lutherverschwörung

Die Lutherverschwörung

Titel: Die Lutherverschwörung
Autoren: Christoph Born
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einen Mann, der sein besonderes Vertrauen genießt. Der Fürst möchte, dass ihr euch kennenlernt, ein paar Worte miteinander wechselt.«
    »Worte wechseln? – Das ist doch alles schon beschlossene Sache. Ich soll nur Ja dazu sagen!«
    »Der Mann, von dem ich spreche, heißt Jost Gessner. Ein exzellenter Soldat, vernünftig, umgänglich. Ich bin sicher, dass ihr euch gut versteht. Er kennt einige deiner Schriften und verehrt dich. Gessner ist normalerweise in Torgau stationiert, wird aber mit einigen Begleitern nach Wittenberg kommen.«
    Luther verschränkte die Arme vor der Brust und verzog den Mund. Seine dunklen Augen blickten starr und trotzig. Er schob sein breites Kinn ein wenig nach vorn. Anna betrachtete ihn mit den Augen einer Malerin, denn sie war geschickt darin, mit dem Kohlestift die Gesichtszüge eines Menschen mit wenigen, klaren Strichen einzufangen. Sie fand sein Gesicht grob und knochig, die Lippen zu fleischig – ein typischer Mönch eben.
    »Er kann gern nach Wittenberg kommen, dein Jost Kessler oder wie er heißt«, sagte Luther. »Aber empfangen werde ich ihn nicht.«
    Cranachs Stimme klang nun erstmals gereizt. »Und ich sage dir, dass du ihn doch empfangen wirst!«
    Luther hob überrascht den Kopf. »Ich werde ihn nicht empfangen!«
    »Doch, wirst du!«
    »Nein.«
    Anna fragte sich, ob sie zwei Kindern zuschaute, die sich um ein Spielzeug stritten. Cranach ging einen Schritt auf den Augustiner zu und packte ihn mit beiden Händen an seiner Kutte. »Ich weiß, dass du ein Dickkopf bist, Martin, und ich habe manches Mal darüber gestaunt, mit welcher Konsequenz du deinen Weg gehst. Deine Halsstarrigkeit ist sogar oft ein Segen gewesen, davon bin ich überzeugt. Aber jetzt muss ich dir als dein bester Freund ein paar deutliche Worte sagen.«
    »Lass mich los!«
    Cranach zog ihn, im Gegenteil, noch ein Stück näher zu sich heran. »Es geht um dein Leben, Martin. Ich bin mir nicht sicher, ob du das begriffen hast. Ich will jetzt gar nicht davon reden, dass du alles, wofür du gekämpft hast, leichtfertig aufs Spiel setzt … Ich rede als Freund.« Er ließ ihn los und sprach nun sehr leise. »Ich möchte nicht an deinem Grab stehen.«
    Luther rieb sich die Wangen. Schließlich blinzelte er einige Male, und als er antwortete, war auch seine Stimme leise. »Gut«, sagte er. »Ich werde mit diesem Söldner reden. Ich werde mir anhören, was er zu sagen hat und wie er sich das vorstellt. Danach treffe ich eine Entscheidung.«
    »Er wird heute oder morgen hier eintreffen. Ich gebe dir Bescheid.«
    »Einverstanden, Lucas.«
    Die beiden gaben sich die Hand, und Luther verließ den Raum. Anna bemerkte, dass Cranach in sich versunken dastand. Dies war bestimmt kein guter Zeitpunkt, mit ihm über ihre Zukunft zu reden. Sie musste versuchen, die Aussprache zu verschieben.
    Aber das war gar nicht nötig, denn Cranach selbst schaute auf und sagte: »Anna, lass uns später weiterreden. Ich bin zu abgelenkt. – Dieser Bursche macht es einem wahrlich nicht leicht, ihn zu mögen.«
    Sie nickte und verließ die Werkstatt. Im Innenhof begegnete ihr Lydia, eine der Mägde, die gerade Küchenabfälle in eine Grube leerte. Anna betrat ein Gebäude auf der anderen Seite des Hofes und ging eine Treppe hinauf in ihre Kammer. Martha war nicht da; sie hatte ihre Tochter zu einer Nachbarsfamilie geschickt.
    Anna setzte sich auf das Bett, das ihr nun groß und leer vorkam. Fast augenblicklich begann wieder das Hadern mit Gott. Sie zweifelte nicht an seiner Existenz, aber sie zweifelte an seiner Güte. Wie hatte er Bertholds Tod zulassen können? Sie und Martha hatten es nicht verdient, schutzlos zurückgelassen zu werden. War sie nicht zuvor ein Glückskind gewesen? Sie dachte an ihre Kindheit im Elsass, an die Stadt Hagenau, wo ihr Vater als Stadtschreiber arbeitete; wie glücklich war sie gewesen, als sie mit sechzehn Berthold kennenlernte – und bald darauf heiratete. Dann der Umzug nach Wittenberg und Marthas Geburt. Sicher, sie waren nicht reich, aber sie hatten, was sie zum Leben brauchten. Sie waren, das wurde Anna erst im Nachhinein bewusst, glücklich gewesen. Glück ist etwas so einfaches, dachte sie, das ist ein Kuss, eine Umarmung, das Lächeln eines Kindes. Aber es ist auch leicht und flüchtig, und von einem Moment auf den andern kann es dir genommen werden. Das alles hatte sie immer gewusst, aber erst in den letzten Tagen wirklich verstanden, was es bedeutete.
    Und nun hatte Gott ihr alles genommen. Wer
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