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Die Lutherverschwörung

Die Lutherverschwörung

Titel: Die Lutherverschwörung
Autoren: Christoph Born
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hörte. Sie begleitete einen Kunden zur Tür. Dann trat sie ins Zimmer, entdeckte Jost, rief überrascht seinen Namen. Hanna war klein gewachsen, hatte blondes, mit den Jahren etwas verblasstes Haar. Trotz einiger Falten gefiel ihm ihr Gesicht unverändert, er fand sogar, dass die Jahre sie noch schöner gemacht und ihre grünlich schimmernden Augen an Wärme gewonnen hatten. Sie umarmten sich.
    »Ich wusste gar nicht, dass du dich noch selbst um Kunden kümmerst.«
    Sie lächelte. »Bist du etwa eifersüchtig?«
    »Schon möglich.«
    »Lass uns nach oben gehen, Jost, und in Ruhe ein wenig plaudern. Wir haben uns lange nicht gesehen.«
    Die Holztreppe knarrte, als sie hinaufgingen in Hannas Stube, die beheizt war. Hanna setzte sich auf ihr Bett, das zerwühlt aussah, und deutete auf einen Stuhl. Jost setzte sich ihr gegenüber. Auf einem Tisch standen ein Krug mit Wasser und eine Waschschüssel; Tropfen fielen vom Tisch auf staubige Dielen. Es war noch zu früh, um Kerzen anzuzünden, und deshalb ein wenig düster im Raum.
    Hanna musterte ihn aufmerksam. »Was sind das für Schatten unter deinen Augen? Und in die Haare hat sich etwas Grau geschlichen!« Sie strich mit dem Daumen liebevoll über seine kurze Nase, die etwas krumm war von einem Schlag, der ihm einst das Nasenbein gebrochen hatte. Ihr fiel immer auf, wenn sich in seinem Gesicht etwas verändert hatte.
    »Wie lange kennen wir uns, Hanna?«
    »Viele Jahre – oder soll ich sagen: Jahrzehnte?«
    »Ich muss dir mein Herz ausschütten … eigentlich bin ich nur deshalb gekommen. Ich habe nämlich eine neue Aufgabe, die mir Angst macht: Ich soll Luther beschützen.«
    Sie legte die Hand an den Mund. »Das ist ein heikles Geschäft.« Ihm fiel auf, dass sie fast die gleichen Worte benutzte wie der Kurfürst.
    Häufig rätselte Jost, wie sie zueinander standen. Ihre Lebenswege hatten sich auf geheimnisvolle Weise immer wieder gekreuzt. Sie verfügte über ähnliche Erfahrungen wie er. War sie nicht ebenso eine Söldnerin? War er nicht auch jemand, der seinen Körper für Geld verkaufte? Als sie später nebeneinanderlagen, er auf dem Rücken und sie seitlich neben ihm mit ihrem Kopf auf seiner Schulter, fühlte er sich geborgen. Aber die Gedanken an die Realität kamen bald zurück.
    »Der Auftrag macht mir Angst«, wiederholte er.
    »Weil es dich an früher erinnert?«
    »Weil es mich an mein Versagen erinnert.«
    »Du hast nicht versagt.«
    »Doch! Die Erinnerung verfolgt mich. Ich sehe den Pfeil in Brangenbergs Hals. Es ist wie ein Alptraum. Und ich sehe ihn, wie er mich anschaut, mit weit geöffneten Augen, in denen Unglauben steht und Erschrecken. Und die mich anklagen! Du warst beauftragt, mich zu schützen, sagen sie, und du hast mein Vertrauen missbraucht!«
    »Rede keinen Unsinn!«
    »Und jetzt das Gleiche wieder, wenn auch viele Jahre dazwischenliegen.«
    »Kennt Friedrich eigentlich die Brangenberg-Geschichte?«, fragte Hanna.
    »Er weiß nicht, dass ich damals für Brangenbergs Sicherheit zuständig war. Du erinnerst dich, dass ich damals nach Italien ging, damit Gras über die Sache wuchs. Als Friedrich mich in seine Dienste nahm, holte er einen Söldner, der für die Medici gekämpft und sich bewährt hatte … Meine wahre Vergangenheit kennt er nicht.«
    Hanna schwieg nachdenklich. Schließlich meinte sie: »Vielleicht hättest du ihm besser die Wahrheit gesagt.«
    »Dann hätte ich die Stelle nicht bekommen. Es war eine einmalige Chance.«

KAPITEL 3
    Südwestlich von Wittenberg lag eine von Laubwäldern umschlossene Stadt, einst von Mönchen gegründet, nun Sitz eines kleinen Bistums. Die berühmte Kathedrale mit ihren Spitzbögen und den zwei schlanken Türmen ragte aus dem Gewirr niedriger Dächer hervor. Auch das Schloss, in dem Bischof Joseph von Brangenberg residierte, wirkte zu weitläufig und prächtig für die umgebenden Bürgerhäuser, die in einen engen Mauerring gepresst standen. Das Schloss war größer als das des sächsischen Kurfürsten – obwohl Brangenberg vom Rang her weit unter Friedrich stand und seine Diözese eine der unbedeutendsten im Reich war.
    Als Wulf Kramer das Privatkabinett des Bischofs betrat, sah er gerade noch eine Frau in einem leichten Gewand, unter dem ihre nackten Beine hervorschauten, aus dem Raum eilen. Das war wahrscheinlich seine Mätresse, dachte Wulf, denn er wusste, dass der Bischof alles andere als ein zölibatäres Leben führte. Man erzählte sich hinter vorgehaltener Hand, der Bischof stürze sich
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