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Die Lutherverschwörung

Die Lutherverschwörung

Titel: Die Lutherverschwörung
Autoren: Christoph Born
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unter vier Augen gesprochen. Das war eine Ehre, es zeigte, wie sehr Friedrich ihn schätzte. Er hatte gerade ihn ausgewählt und die Männer, die ihm direkt unterstanden. Auf der anderen Seite und ohne es zu wollen, hatte Friedrich ihn in einen unerträglichen Zwiespalt gestürzt.
    Jost war normalerweise in Torgau stationiert, doch seit etwa einem Monat war Friedrich in Wittenberg, und er hatte Jost dorthin beordert. Jost mochte die kleine Stadt und besonders das Panorama, das sich dem Reisenden von weitem, noch von der anderen Elbseite aus, öffnete. Von dort schaute man auf die Holzbrücke mit ihren mächtigen Pfählen, um die das Wasser wirbelte. Eine stille, weite Landschaft voller Felder, Wiesen und Obstgärten. Hinter der Brücke kamen erste Behausungen und vereinzelte Vororte, die die Nähe der niedrigen, nicht sonderlich wehrhaften Stadtmauer suchten. Innerhalb des Mauerrings dann kleine, spitzgieblige Fachwerkhäuser mit roten und schwarzen Dächern, überragt von den markanten Gebäuden der Stadt, von dem Schloss mit der Schlosskirche linker Hand, der Stadtkirche in der Mitte und weiter rechts den Universitätsgebäuden und dem Augustinerkloster. Jost mochte den Wittenberger Marktplatz, den mehrstöckige Fachwerkhäuser mit geschwungenen Giebeln säumten, mit einem Brunnen in der Mitte. Und besonders gefiel ihm das gemütliche, von seiner Freundin Hanna geleitete Badehaus. Doch auf der Reise war er voller Unruhe gewesen, weil er nicht wusste, weshalb der Fürst ihn hatte rufen lassen. Friedrich war nicht nur der Begründer der Universität, auch den Bau von Schloss und Schlosskirche verdankte die Stadt ihm. Kaum angekommen, war Jost zu ihm geeilt. Der Fürst hatte ihn in seinem Arbeitszimmer empfangen. Immer wieder musste Jost an das Gespräch denken …
    Friedrich saß hinter einem massiven Holztisch, auf dem wohlgeordnet Papiere lagen, die kleine Stapel bildeten. Er hatte sich einen Pelz über die Schulter geworfen, die Lippen waren in seinem imposanten Bart versteckt. Friedrichs Reliquiensammlung war weithin berühmt, und einige Stücke bemerkte Jost auch in diesem Raum. Eine aus Lindenholz geschnitzte, mit Blattgold verzierte Madonna glänzte im Licht der Wintersonne. Friedrich winkte ab, als Jost niederknien wollte, und wies ihm einen Stuhl gegenüber an.
    Ohne Zweifel habe Jost von dem Augustinermönch Luther gehört, begann er. Dabei fixierte er eines der Schriftstücke auf seinem Tisch, las aber nicht darin, sondern suchte, wie es Jost vorkam, nach der rechten Formulierung. Überhaupt sprach er langsam und gedehnt, als müsse er jedes Wort aus einem Sack herauskramen und an die richtige Stelle setzen. Schließlich nannte er den Grund des Treffens: Luthers Leben sei in Gefahr – und er, Jost, solle ihn schützen.
    Jost erwiderte zunächst nichts. Er fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen. Ob der Fürst einen konkreten Verdacht habe, fragte er schließlich. Wer denn versuchen könne, Luther zu töten?
    Friedrich zögerte wieder mit seiner Antwort. Schließlich sagte er: »Ich glaube, dass von vielen Seiten Gefahr droht. Und das macht die Aufgabe, mit der ich dich betraue, so schwierig. Du darfst niemandem vertrauen. Kurz und gut: Du bist mir ab sofort für Luthers Leben verantwortlich!«
    Und dann hatte der Fürst ihm klargemacht, wie wichtig es sei, Diskretion zu wahren. Er als Kurfürst müsse in der Luthersache politisch neutral bleiben, das sei für sein Sachsen überlebenswichtig. Ein so kleiner Staat sei immer bedroht und nur geschickte Diplomatie, ein Lavieren zwischen den Großmächten, sichere seine Existenz. Er als Fürst trage große Verantwortung, und es sei für ihn oberstes Ziel, sein Land aus kriegerischen Verwicklungen herauszuhalten.
    »Krieg ist immer ein Fehler«, fuhr Friedrich fort, »und das Wohl meiner Untertanen ist mir wichtiger als Ruhm und Schlachtengetümmel. Die Luthersache ist heikel, da steht so viel auf dem Spiel – vielleicht das Schicksal des ganzen Landes. Der Streit um Luther ist im Moment noch ein religiöser, aber jeder, der über seinen Tellerrand hinausblickt, weiß, dass daraus in Windeseile ein politischer werden kann … Außerdem berührt er die Kernfragen unseres Menschseins. Es geht letztlich darum, wie der Mensch vor sich selbst und vor Gott bestehen kann …«
    Am Ende der Unterredung hatte der Fürst ihm eine hohe Belohnung versprochen, wenn er seine Arbeit gut mache.
    Jost hob den Kopf, weil er Schritte auf der Treppe und bald darauf Hannas Stimme
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