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Die Lutherverschwörung

Die Lutherverschwörung

Titel: Die Lutherverschwörung
Autoren: Christoph Born
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schien ihr, als hätten sie mit den Worten, die sie formten, nichts zu tun. Sie wusste genau, was ihr bevorstand, und sie merkte auch, wie unangenehm dem Meister dieses Gespräch war. Hatte seine Frau ihn dazu gedrängt, endlich Klarheit zu schaffen?
    »Jetzt stellt sich natürlich die Frage, wie es weitergehen soll«, fuhr Cranach fort. »Die Leute halten mich zwar für reich, und Gott sei Dank kann ich meine Familie und meine Gesellen mit ihrem Anhang ernähren, aber niemand weiß besser als ich, wie dünn das Eis ist, auf dem wir uns bewegen. Der Hof hat mich 2000 Gulden gekostet, und obwohl ich die beiden Häuser am Markt günstig losgeworden bin, haben sie nur zu zwei Dritteln die Summe gedeckt. Ich stehe finanziell unter Druck. Und auch meine Frau …«
    Er beendete den Satz nicht, aber Anna verstand sehr gut. »Und wenn es eine Aufgabe für mich gäbe?«, fragte sie leise. »Wenn ich mich nützlich machen könnte?«
    »Darüber zerbreche ich mir schon die ganze Zeit den Kopf«, antwortete er. »Aber wie? Mir fällt nichts ein.«
    Ein Klopfen an der Tür unterbrach das Gespräch. Anna hatte das Geräusch kaum bemerkt, weil sie so angespannt war.
    Ein Mann trat in den Raum. Jeder in der Stadt kannte ihn, denn er hatte sich als Professor an der neu gegründeten Universität einen Namen gemacht; außerdem galt er als glänzender Prediger. Nach Art der Augustinermönche trug er eine dunkle, aus grobem Stoff gefertigte Kutte mit Kapuze. Cranach ging auf den Mönch zu, und sie umarmten sich.
    »Schön, dass du kommst, Martin. Ich wollte mit dir sprechen.« Cranach warf Anna einen flüchtigen Blick zu. »Allerdings habe ich erst am Nachmittag mit dir gerechnet.«
    Die Unterbrechung kam Anna gelegen. Lucas Cranach und Martin Luther waren gute Freunde. Anna hatte – wie alle Einwohner Wittenbergs – mitbekommen, dass es wegen des Theologieprofessors Ärger im Reich gegeben hatte. Da ging es um theologische Fragen, über die sie sich kein Urteil erlauben wollte. Luther hatte vor einigen Jahren Thesen gegen den Ablass veröffentlicht und sich damit Feinde gemacht. Vor allem die römische Kirche zählte zu seinen Gegnern; es war kaum zwei Monate her, da hatte Luther öffentlich und demonstrativ eine Bulle des Papstes verbrannt, die ihm den Bann androhte. Daraufhin hatte der Papst über Luther den Kirchenbann verhängt.
    Anna fragte, ob sie die beiden allein lassen solle.
    »Nein«, wehrte Cranach ab, »bleib nur. Es dauert nicht lange.« Offenbar betrachtete er sie immer noch als Familienmitglied, vor dem er keine Geheimnisse haben musste – kein schlechtes Zeichen immerhin.
    Cranach fragte Luther, welche Neuigkeiten es gebe. Aber das war mehr eine Floskel, Anna spürte, dass Lucas mit seinen Gedanken woanders war. Offenbar ging es auch bei diesem Gespräch um etwas Unangenehmes. Wahrscheinlich, dachte Anna, hatte er beide Unterredungen auf einen Tag gelegt, um sie bald hinter sich zu bringen.
    »Die Arbeit wächst mir über den Kopf. Ich möchte meine neue Schrift bald druckfertig haben«, sagte Luther.
    »Wieder eine Streitschrift?«
    »Es geht mir nicht um Streit. Es geht mir um die Wahrheit.«
    »Lucas!« Einer der Malergesellen winkte dem Meister. »Schau mal! Der Hintergrund – ist das in Ordnung so?«
    Cranach trat näher an das Bild heran. »Noch etwas heller«, meinte er. »Hier an den rechten Rand soll ein Gebirge mit einer Burg darauf. Und ich möchte einen starken Kontrast zwischen dem Himmel und der Landschaft. – Michael!« Cranach wandte sich an einen anderen Gesellen, der in einem Farbtopf rührte.
    »Noch etwas mehr Weiß!«
    Der Geselle nickte.
    Cranach wandte sich zu Luther und Anna. Luther kam ihm zuvor: »Worauf willst du hinaus? Du hast etwas auf dem Herzen, das merke ich.«
    »Man hat mich gebeten, mit dir zu sprechen …«
    »Wer hat dich gebeten?«
    »Der Kurfürst«, sagte Cranach.
    »Friedrich?«
    »Schau nicht so betroffen. Er will dein Bestes.«
    »Das klingt nicht gut«, sagte Luther. Er schaute zu Anna und schien zu überlegen, ob es nicht besser sei, sie wegzuschicken. Aber Cranach machte keine Anstalten.
    »Keine Angst«, sagte Lucas. »Du weißt doch, wie sehr dem Alten seine Universität am Herzen liegt. Er hat sie schließlich selbst gegründet. Er ist stolz auf dich und deine Kollegen, das hat er mir selbst gesagt. Er fühlt sich euch gegenüber wie ein Vater und möchte euch beschützen.«
    »Komm zur Sache, Lucas!«
    »Nun, Martin … Der Alte macht sich Sorgen. Die Geschichte
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