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Die Lüge im Bett

Die Lüge im Bett

Titel: Die Lüge im Bett
Autoren: Gaby Hauptmann
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die Suche nach dem impotenten Mann für Leben.
    Ob sie meine Kaiserinnen gelesen hat, weiß ich nicht. Ich nahm die impotenten Männer auf eine Urlaubsreise nach Osteuropa mit. Ich las das Buch als spannende Unterhaltung, aber natürlich auch befangen, denn man identifiziert das Geschriebene unwillkürlich mit der Schreiberin, die man in ganz persönlicher Erinnerung hat, und irgendwo hatte ich auch den Blick des Lehrers, der die Leistung einer wiedergefundenen Lieblingsschülerin bewertet.
    Die Phantasiereise erkannte ich leicht wieder, das atemlose Aneinanderreihen von Erlebtem und Erdachtem, das Springen von einer Geschichte in die andere. Ich denke, daß »Suche impotenten Mann fürs Leben« keinem vorher aufgestellten Konzept folgte, sondern sich beim Schreiben entwickelte und verzweigte. Dafür hat Gaby die adäquate literarische Form gefunden, den Anzeigenroman. Denn es genügt, eine überraschende und aberwitzige Anzeige zu formulieren, um mit jeder neuen Antwort ganz zwanglos eine andere Persönlichkeit und eine neue Geschichte einzuführen, die die Handlung bereichert, verzögert oder auch arabesk verziert. Aber dabei bleibt es nicht. Die doppelte Südafrikaconnection, die Verbindung von Elvira Gohde und Stefan Kaltenstein, die Entführung von Stefan, das ist die Lust am Fabulieren, am Verwirren und Verknoten von Handlungssträngen, das sind strenggenommen Ablenkungsmanöver, die den besonderen Charme des Buches ausmachen. Und keiner wird vergessen. Selbst der impotente Oliver meldet sich nach seiner Rückkehr aus New York und damit endgültig ab. Und Carmen selbst macht ein Experiment, sie weiß vorher nicht, auf was sie sich einläßt, sie ist selbst immer wieder erstaunt über die atemberaubende Intensivierung ihres Lebens, die die Anzeige ausgelöst hat. Gaby Hauptmann gönnt ihr dieses Glück, aber sie weiß auch, daß sie selbst mit dieser Phantasiereise die Auseinandersetzung mit der Männerwelt noch nicht abgeschlossen hat. So folgt auf den impotenten Mann fürs Leben die Weiterführung der Abrechnung mit den Männern: »Nur ein toter Mann ist ein guter Mann«.
    Der zweite Roman ist vielleicht nicht ganz so phantastisch wie der erste, obwohl auch hier manche Arabeske rankt. Warum muß der arme Klavierschätzer, der doch Aussicht auf eine Professur in Trossingen hat, von einem Elefantentöter zerrissen werden? Die Geschichte ist recht vielschichtig aufgebaut, mit Elementen des Kriminalromans und viel schwarzem Humor. Im Mittelpunkt steht die eben Witwe gewordene Ursula Winkler, die am Tod nichts mehr fürchtet als das dumpfe Prasseln der Erde auf dem Sarg. Ursula ist aus kleinen Anfängen unter persönlichen Opfern in ein neureiches Milieu aufgestiegen, das ganz von ihrem Mann geprägt war. Sie war immer am Geschäft beteiligt und ohne große Illusionen über seine Treue oder sein Geschäftsgebaren. Persönlich und gänzlich unerwartet nutzt sie seinen Tod, um sich von der protzig erdrückenden Wohnungseinrichtung zu befreien und um ihr eigenes Leben zu leben. Im Geschäft stößt sie bei der Übernahme überall auf Ablehnung, auf die männliche Kumpanei und das männliche Beziehungsgeflecht. Ursula kämpft sich durch diese Schwierigkeiten durch, ergründet die Mechanismen der Macht ihres Mannes und zollt ihm im nachhinein eine widerwillige Hochachtung, denn er hat die Banker mit Intimfotos zu günstigen Kreditkonditionen gezwungen.
    Die interessanteste Person neben Ursula Winkler ist die geheimnisvolle Elisabeth Stein, die erst in der zweiten Hälfte des Buches auftaucht. Mit ihr hat Ursulas Mann die Erpresserfotos produziert und dafür ihren Lebensunterhalt gesichert. Sie hat einen anderen Walter Winkler gekannt als Ursula, und durch sie wird Walter für Ursula im nachhinein menschlicher. Die Gespräche zwischen Ursula und Elisabeth sind sehr vielschichtig und zeigen meinem Eindruck nach viel von dem, worum es Gaby jenseits der Buchtitel geht, nämlich doch um eine menschlichere Welt, die aber nur auf dem Umweg über die Frauen erreicht werden kann; Elisabeth und ihre Tochter Jill sind die Hoffnung auf die Zukunft. Und vielleicht auch ein Stück persönliche Biographie. Die Schilderung der jungen Mutter, wie sie sich durchs Leben schlägt, schmeckt nach eigener Erfahrung. Gaby war immer ein Mädchen, das ihre Angelegenheiten selbst in die Hand genommen hat.
     
    Hansjörg Frommer
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