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Die Luecke im Gesetz

Die Luecke im Gesetz

Titel: Die Luecke im Gesetz
Autoren: Ingo Lenssen
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führen müssen.
22. Länger halten als 3 Minuten
    Annette N. legte mir einen Bußgeldbescheid vor, den sie nicht bezahlen wollte. Den Bescheid hatte sie erhalten, weil sie ihren Wagen länger als 3 Minuten in einem eingeschränkten Halteverbot geparkt hatte. Dort hatte sie angehalten, weil sie ihre gehbehinderte Mutter in der Innenstadt von F. zum Kaffeekränzchen abholen wollte. Im Haus der Mutter gab es einen Aufzug, mit dem die gehbehinderte Frau in ihrem Rollstuhl normalerweise bequem vom 3. Stock bis ins Erdgeschoss fahren konnte. Nur an diesem Morgen, als Annette N. geklingelt hatte, war die Frau Mama noch nicht unten angelangt. So war Annette N. hoch gefahren, hatte der Mutter noch beim Anziehen geholfen und hatte, als sie unten an ihrem Wagen angekommen war, den Bußgeldbescheid hinter ihrer Windschutzscheibe gefunden. Annette N. hatte wegen ihres Parkverhaltens zwar ein schlechtes Gewissen, sie ärgerte sich aber trotzdem über das Knöllchen.
    Und sie hatte recht damit. Denn sie hatte angehalten, ihrer Mutter ohne großes Verzögern aus der Wohnung geholfen und sie zum Pkw geführt, um mit ihr dann zum Kaffeekränzchen zu fahren. Wie von Annette N. angenommen, gibt es eine Einschränkung dieses Halteverbots auf 3 Minuten nicht, wenn ein Ladevorgang oder ein Ein- oder Aussteigevorgang stattfindet. Man muss nur alles dafür tun, um schnellstmöglich alle Vorgänge abzuschließen. Eine zeitliche Begrenzung dafür gibt es nicht.
    Merke: Es ist völlig rechtens, wenn Sie Ihren Wagen in einem eingeschränkten Halteverbot parken um aus- oder einzuladen – egal, ob das Menschen oder Sachen sind. Und das darf auch länger als 3 Minuten dauern.

Kapitel 2
Erbrecht
1. Das kann doch nicht alles gewesen sein
    Hartmut T. erzählte mir, dass seine Großmutter gestorben war. Er hatte sie nicht mehr sehen können. Im letzten Jahr war er zum Studium in Australien gewesen. Bis zu seiner Abreise hatte ausschließlich er sich um die ältere Dame gekümmert. Diese hatte alleine gewohnt. Es hatte keinerlei Anzeichen dafür gegeben, dass seine Großmutter während seiner Abwesenheit gesundheitliche Probleme bekommen würde. Im dritten Monat seines Australienaufenthaltes war er vom Amtsgericht darüber informiert worden, dass die Großmutter unter Betreuung gestellt und ins Pflegeheim gebracht worden war. Geld für einen Extraflug nach Deutschland hatte er keines gehabt, also hatte er sich vorgenommen, alles nach seiner Rückkehr zu regeln. Regelmäßig hatte er Briefe geschrieben, allerdings keine Antworten erhalten. Nach seiner Rückkehr hatte er dann von ihrer Beerdigung erfahren.

    Hartmut T. war zornig. Die Großmutter war nach dem Tod seiner Eltern seine einzige Bezugsperson gewesen. Und für sie war er der Mittelpunkt ihres Lebens gewesen. Nun war sie von irgendeinem Betreuer ins Heim gesteckt und schlussendlich beerdigt worden.
    Er bat mich um Hilfe. Er wollte wissen, wo die alte Einrichtung der Großmutter und die letzten Erinnerungsstücke der Familie hingekommen waren. Auch wollte er wissen, wer ihr Erbe sei. Er hatte nichts gehört.
    Ich beantragte Akteneinsicht beim zuständigen Notariat. Aus der Akte ersah ich, dass mein Mandant kein Erbe war, zwei andere Enkel waren als Erben eingesetzt worden. Das Notariat hatte ihn angeschrieben und ihm mitgeteilt, dass er pflichtteilsberechtigt sei. Aufgrund seines Auslandsaufenthaltes hatte ihn diese Nachricht allerdings nie erreicht. Ich schrieb die Erben an und bat um Auskunft. Nach einer Weile wurde mir mitgeteilt, dass der Nachlass überschuldet sei. Es sei vom Vermögen der Großmutter nichts mehr vorhanden. Diese Mitteilung nahm Hartmut T. mehr oder weniger gleichgültig hin. Er erklärte mir, dass es ihm eigentlich nur um die Beerdigung und die Erfüllung der letzten Wünsche der Großmutter gegangen sei. Da man hier jedoch nichts mehr machen könne, solle ich die Akte schließen.
    Abschließend fragte ich ihn, wie die Großmutter denn gelebt habe? Er erklärte mir daraufhin, dass die Großmutter in ihrem eigenen Haus gelebt hätte, wahrscheinlich sei der Wert davon aber komplett für die Pflegekosten draufgegangen. Nach meiner Erfahrung konnte dies unmöglich sein, dazu war die Zeit, die die alte Dame im Pflegeheim gelebt hatte, zu kurz. Ich erläuterte ihm, dass auch ihm als Enkel neben dem Pflichtteilsanspruch ein sogenannter Pflichtteilsergänzungsanspruch zustünde. Dieser Anspruch hilft, wenn von der Erbmasse fast nichts mehr übrig ist, weil den Erben schon zu
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