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Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes
Autoren: Paul Hoffman
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denen eine Beteiligung nachgewiesen werden konnte, sind geläutert worden.«
    »Ihr meint, getötet.«
    »Erst geläutert, dann getötet.«
    »Warum hielt Cale Euch dann für den Verantwortlichen?«
    »Das werde ich ihn fragen, wenn ich ihn sehe. Doch falls Ihr glaubt, ich würde ein Reich hingeben, um Cale für den Mord an einem ketzerischen und abartigen Priester hinzurichten...« Er stockte und machte ein verblüfftes Gesicht. »Warum sollte ich das tun? Das ergibt doch keinen Sinn.«
    »Ihr könntet ja lügen.«
    »Ich könnte das in der Tat. Aber ich brauche das gar nicht. Ich werde Cale früher oder später finden, aber ich hätte ihn am liebsten gleich. Es steht in Eurer Macht, mir zu geben, was ich wünsche, doch meine Geduld ist begrenzt und wenn sie aufgebraucht ist, habt Ihr gar nichts mehr zu bieten.«
    »Hört nicht auf ihn«, beschwor Arbell ihren Vater.
    »Und warum liegt er Euch so sehr am Herzen?«, fragte Bosco. »Ist es deshalb, weil ihr ein Liebespaar seid?«
    Der Marschall schaute seine Tochter an. Keine empörte Aufforderung, die Wahrheit zu sagen, auch keine Verurteilung, weil ihre edle Herkunft befleckt wurde. Nur ein langer Blick in Schweigen. Schließlich drehte er sich zu Bosco.
    »Was verlangt Ihr von mir?«
    »Ihr könnt gar nichts tun. Es gibt nicht viele Menschen, wenn überhaupt, denen Cale traut, und Ihr gehört gewiss nicht dazu. Freilich mit Ausnahme Eurer Tochter aus Gründen, die uns nunmehr klar sind. Ich fordere daher von ihr, dass sie Cale einen Brief schreibt, den sie, das sei unterstellt, heimlich einer Vertrauten gibt. In dem Brief bittet sie ihn, zu einer Verabredung draußen vor den Stadtmauern zu kommen. Ich werde ebenfalls dort sein und mit mir Bewaffnete in hinreichender Zahl, sodass er sich ergeben muss.«
    »Ihr wollt ihn umbringen«, wiederholte Arbell.
    »Ich werde ihn nicht umbringen«, sagte Bosco zum ersten Mal mit lauter Stimme. »Ich werde das niemals tun und ihm auch den Grund dafür sagen, wenn er sich von meiner Aufrichtigkeit überzeugt hat. Er weiß nicht, was ich ihm zu sagen habe, und solange er das nicht weiß, wird sein Leben so aussehen, wie er es geführt hat, seit er aus der Ordensburg geflohen ist – ein Leben in Zorn und Gewalt, ein Leben, das über alle, die seinen Weg kreuzen, nur sinnlose Zerstörung bringt. Betrachtet nur das Chaos, das er in Eurem Leben angerichtet hat. Nur ich allein kann ihn von diesem Schicksal befreien. Welche Gefühle Ihr auch für ihn empfinden mögt, Ihr könnt nicht verstehen, was er in seinem Wesen ist. Wenn Ihr versucht, ihn zu retten, was Euch schlicht nicht möglich ist, bringt Ihr nur Unheil über Euren Vater, Euer Volk, Euch selbst und vor allem über Cale.«
    »Du musst diesen Brief schreiben«, drängte der Marschall seine Tochter.
    »Das kann ich nicht«, wehrte sich Arbell.
    Bosco seufzte mitfühlend. »Ich weiß, was es heißt, Macht und Autorität auszuüben. Um die Wahl, vor der Ihr steht, wird Euch niemand beneiden. Ganz gleich, wofür Ihr Euch entscheidet, es wird Euch falsch erscheinen. Entweder vernichtet Ihr ein ganzes Volk und einen Vater, den Ihr liebt, oder einen einzigen Mann, den Ihr ebenfalls liebt.« Arbell starrte Bosco wie hypnotisiert an. »Mag die Wahl auch hart sein, sie ist nicht so hart, wie Ihr vielleicht fürchtet. Cale wird in meinen Händen nicht Schaden nehmen und er kann mir nicht entkommen. Seine Zukunft ist so fest mit dem Willen Gottes verknüpft, dass er immer ein Teil von uns sein wird- und ein ganz besonderer obendrein.« Er lehnte sich zurück und seufzte erneut.
    »Sagen Sie mir, Mademoiselle, bei aller Liebe für diesen jungen Mann, und ich sehe jetzt, dass diese Liebe aufrichtig ist...« Er legte eine Kunstpause ein, damit sie das Gift dieser süßen Worte schluckte. »Habt Ihr nie gespürt« – Wieder wartete er, als suche er nach dem treffenden Wort -, »dass etwas Fatales an ihm haftet?«
    »Ihr habt ihn erst mit Eurer Grausamkeit dazu gemacht.«
    »Keineswegs«, entgegnete Bosco ruhig, als ob er Verständnis für den Vorwurf hätte. »Als ich ihn zum ersten Mal sah, und er war damals noch ein Kind, war das für mich ein Schock. Ich habe lange gebraucht, bis ich verstanden habe, warum, denn es schien keinen Sinn zu ergeben. Es war Furcht. Ich fürchtete mich vor diesem kleinen Jungen. Gewiss musste man seinen Charakter formen und disziplinieren, aber ein Mensch hätte niemals Cale zu dem machen können, was er von Anfang an gewesen ist. Ich rühme mich deswegen
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