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Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes
Autoren: Paul Hoffman
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nur recht und billig.«
    Cale nickte zum Zeichen seines Einverständnisses, woraufhin Bosco einer Wache winkte, die Cale hinter den Wandschirm in der dunklen Ecke des Saales führte. Unterwegs drehte sich Cale noch einmal um und fragte Bosco: »Wie habt Ihr die Stadt eingenommen?«
    Bosco lachte, als würde er sich dafür selbst verachten. »Leicht und kampflos. Princeps ließ binnen drei Stunden die Nachricht vom großen Sieg der Vierten Armee nach Port Errol bringen und befahl der Flotte, sofort in See zu stechen und Memphis anzugreifen. Daraufhin ergriff die Bürger eine Heidenangst. Noch fünfzig Meilen entfernt, beobachtete unsere Flotte, wie Menschen auf Schiffen aller Art die Hauptstadt panikartig verließen. Wir gingen hier einfach an Land. Eine überraschende, aber sehr erfreuliche Lösung. Bleib dort hinter dem Schirm und du wirst alles sehen und hören.«
    Die Wache zog einen Knebel aus der Tasche und zeigte ihn Cale. »Hierfür gibt es zwei Methoden, die sanfte und die harte. Mir ist es gleich, welche es sein soll.«
    Cale wollte vor allem Arbell wiedersehen, deshalb wehrte er sich nicht. In den folgenden Minuten fühlte er sich durch Boscos Gegenwart und befremdendes Gebaren immer unwohler. Ein Tisch und drei Stühle wurden in die Mitte des Saales gebracht. Schließlich ging die Tür auf. Der Marschall und seine Tochter kamen herein.
    Cale hätte nicht für möglich gehalten, solche Erleichterung zu verspüren – ein tiefes, mächtiges Glücksgefühl überschwemmte ihn. Sie war bleich und verängstigt, schien aber unversehrt, genauso wie ihr Vater, wenngleich seine Augen stumpf und sein Gesicht ausgezehrt waren. Er sah zwanzig Jahre älter aus und krank obendrein.
    »Nehmt Platz«, sagte Bosco mit sanfter Stimme. »Ihr könnt mich umbringen«, bot der Marschall an. »Aber ich bitte Euch in aller Bescheidenheit, lasst meine Tochter am Leben.«
    »Meine Absichten sind durchaus nicht so blutig, wie Ihr es Euch vorstellt«, erwiderte Bosco immer noch sanft. »Nehmt doch Platz. Ich frage Euch nicht noch einmal.« Diese beunruhigende Mischung aus Wohlwollen und Drohung schüchterte die beiden noch mehr ein, und sie taten wie ihnen geheißen.
    »Ehe ich mit meinen Ausführungen beginne, möchte ich klarstellen, dass die Haltung und die Hingabe derer, die dem Gehenkten Erlöser dienen, von Euresgleichen nicht verstanden werden können. Ich erwarte von Eurer Seite kein Verständnis und suche es auch gar nicht, doch um Euretwillen ist es notwendig, dass Ihr begreift, wie sich die Verhältnisse nunmehr darstellen.« Er nickte einer Wache zu, die ihm sogleich den dritten Stuhl zurechtrückte. Bosco setzte sich ebenfalls. »Um es unmissverständlich zu sagen: Wir haben die Hauptstadt Memphis fest in unserer Hand. Eure Armee besteht nur noch aus zweitausend Soldaten, von denen die meisten unsere Gefangenen sind. Euer Reich, so groß es jetzt noch sein mag, beginnt sich schon aufzulösen. Stimmt Ihr dieser Auffassung der Lage zu?«
    Schweigen.
    »Ja«, sagte der Marschall schließlich.
    »Gut. Ich werde Memphis in Eure Verwaltung geben und Euch erlauben, ein stehendes Heer einzurichten, damit Ihr die Ordnung in Eurem Reich wiederherstellen könnt. Dazu müssen die Materazzi uns Steuern zahlen und andere Bedingungen erfüllen, denen Ihr im Einzelnen später noch zustimmen werdet.«
    Der Marschall und Arbell starrten Bosco mit hoffnungsvollen, aber auch argwöhnischen Augen an.
    »Welche Bedingungen?«, fragte der Marschall.
    »Bitte missversteht mich nicht«, sagte Bosco so leise, dass Cale ihn kaum hören konnte. »Wir verhandeln hier nicht. Ihr habt nichts, was eine Verhandlung rechtfertigen könnte. Ihr habt all Eure Macht verspielt und habt nur noch eines, was ich von Euch begehre.«
    »Und das wäre?«, fragte der Marschall.
    »Thomas Cale.«
    »Niemals. Nicht um alles in der Welt«, widersprach Arbell leidenschaftlich.
    Bosco sah sie eindringlich an.
    »Sehr interessant«, sagte er.
    »Warum wollt Ihr das tun?«, fragte der Marschall.
    »Einen Jungen gegen ein Weltreich tauschen? Zugegeben, das scheint nicht sehr vernünftig.«
    »Ihr wollt ihn töten«, sagte Arbell.
    »Keineswegs.«
    »Weil er einen von Euren Priestern getötet hat, der etwas Unaussprechliches getan hat.«
    »In diesem Punkt habt Ihr Recht: Er hat einen meiner Priesterkollegen getötet und dieser Priester hat etwas Infames begangen. Ich wusste nichts von diesen schändlichen Praktiken und erfuhr davon erst an dem Tag, als Cale fortlief. Alle,
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